Kritische Astrologie - Die Wespe und ihre Macht über unser Leben

Hommage an die Schwarz-Gelbe

Kolumne Von

Gerade noch versprach man uns, dem Klima- und Umweltwandel eingedenk, einen komplett insektenfreien Sommer, nun werden wir überschwemmt mit Ratschlägen, wie wir der über uns hinwegziehenden Wespenplage Herr werden. Kaffeesatz muss entfackelt, Wasser in Sprühflaschen versprüht, gelbe Lampions müssen aufgehängt und Duftkerzen verqualmt werden – die Wespenabwehr gerät zum magischen Ritual; es fehlt noch, dass man irgendwo das Blut einer Jungfrau verspritzen sollte.

Warum ist die Wespe so verhasst? Ist ihre Anwesenheit nicht ein starkes Zeichen, dass die Ökosphäre noch halbwegs brummt, dass der Planet noch nicht rettungslos im Arsch ist? Über Schwärme tirilierender Piepmatze, die um vier Uhr morgens einen Lärm veranstalten wie zehn Junggesellenabschiede, freut man sich; der pittoresk herumschwirrenden Wespe neidet man noch das Überleben. Ja, Herrgott, sie geht ans Essen! Der zurückgekehrte Fuchs im waldreichen Vorort macht nichts anderes, er wird aber als niedlich, ja clever eingestuft. Wespen sind auch niedlich! Gebt ihnen ein Schälchen Fanta, und sie freuen sich wie Vorschüler beim Kindergeburtstag! Sie sind auch clever: Legt ihnen ein Stück Schinken hin – und sie zersäbeln es kunstreich wie ein Show-Koch im japanischen Restaurant. Sie sind nützlich! Sie pollinieren da, wo die faule Honigbiene längst nicht mehr hinsummt; halten auch unsere Landwirtschaft am Brummen.

Aber sollen wir die Wespe überhaupt nach solchen Gesichtspunkten behandeln? Sie in Nutz- und Raubwespe, in raffende und schaffende Wespe aufteilen? Nimmt sie nicht genauso an der Warenzirkulation teil wie wir – vertritt nur ihren Standpunkt sehr energisch? Manch eine Arbeitnehmerorganisation könnte sich ein Beispiel an der Wespe nehmen, wenn es darum geht, engagiert die Krumen vom Tisch der Herrschaft einzusammeln! Wer die Wespe fuchtelnd abwehrt, der lässt letztlich auch die Widersprüche des Kapitalismus nicht an sich ran. Wir wollen die Wespe loben und ihr immer Fanta geben.