Der Jihad aus dem Norden
Sie kamen mit Macheten und Messern. Am Mittwoch vergangener Woche überfielen Islamisten das mosambikanische Dorf Namaluco, töteten mindestens sechs Menschen und brannten Dutzende Häuser nieder. Seit Monaten wird der Norden Mosambiks von jihadistischen Gruppen terrorisiert.
Die Angriffe in dem südostafrikanischen Land begannen im Oktober vergangenen Jahres. Immer wieder griffen Bewaffnete im Distrikt Mocímboa da Praia in der nordöstlichen Provinz Cabo Delgado Polizisten und Soldaten sowie Stammesführer an. Bereits kurz nach Beginn der Angriffe gab es Vermutungen, es könne sich um Islamisten handeln. Im Dezember erschossen Bewaffnete unter anderem den Direktor der Polizeispezialeinheit Reconhecimento da Unidade de Intervenção Rápida. Die mosambikanischen Behörden waren zunächst überrascht. Die Polizei nahm wahllos Hunderte Einwohner fest, musste sie aber nach kurzer Zeit wieder freilassen, da es keinerlei Beweise gegen sie gab. Ende November griffen Islamisten die Dörfer Mitumbate und Maculo an und enthaupteten zwei Menschen. Einen Monat später beschoss die Armee Mitumbate aus der Luft und vom Meer aus, wobei Berichten zufolge 50 Menschen starben.
Doch die Terrorattacken ließen nicht nach – im Gegenteil. Die Methoden der Islamisten wurden brutaler, ihre Angriffe richteten sich immer häufiger gegen Zivilisten. Ende Mai köpften sie im Dorf Monjane zehn Einwohner, nur eine Woche später ermordeten sie in Naunde weitere sieben Menschen. Das Terrorism Research and Analysis Consortium (TRAC) verzeichnete allein für die ersten vier Monate dieses Jahres 20 Angriffe.
In Mosambik ist weniger als ein Fünftel der Bevölkerung muslimisch, die meisten davon sind Sunniten, die vornehmlich in den nördlichen Provinzen Nampula und Cabo Delgado an der Grenze zu Tansania leben. Der Islam in Mosambik galt bislang als moderat, aber in den vergangenen Jahren hat sich ein Wandel vollzogen. Zum einen nahmen extremistische Einflüsse aus dem Ausland zu, vornehmlich durch islamistische Gruppen und Prediger aus Tansania, Kenia und Somalia. Zum anderen habe sich auch die lokale muslimische Bevölkerung selbst radikalisiert, berichtete der Menschenrechtler und Journalist Lázaro Mabunda 2017 in der Deutschen Welle. Viele Muslime in den nördlichen Provinzen wollten die Bräuche und Lebensweise der Makonde, der größten Bevölkerungsgruppe dort, von denen die meisten animistischen Religionen angehören, nicht mehr akzeptieren, so der Journalist.
Bereits nach den ersten Konflikten mit Islamisten vor drei Jahren gab es Warnungen aus der lokalen Bevölkerung. Diese wurden aber von den Behörden und der Zentralregierung ignoriert.
Das Eindringen und die Ausbreitung des Islamismus wurde sicherlich auch durch die andauernde Zersplitterung und Verheerung des Landes aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs begünstigt. Der 1992 geschlossene Friedensvertrag zwischen der regierenden sozialistischen Partei Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) und der konservativen oppositionellen Resistência Nacional Moçambicana (Renamo) war stets brüchig. Vor fünf Jahren kündigte die Renamo das Abkommen auf und ihre Anhänger verübten kleinere bewaffnete Angriffe. Der jahrzehntelange Anführer der Renamo, Afonso Dhlakama, erklärte 2016 einen Waffenstillstand und begann erneut Friedensgespräche mit dem Präsidenten Filipe Nyusi, die kurz vor einem erfolgreichen Abschluss zu stehen schienen. Doch Anfang Mai verstarb Dhlakama überraschend an Herzversagen und die Zukunft seiner Partei sowie des Friedensprozesses ist ungewiss, denn ein Nachfolger mit der gleichen Autorität bei den Renamo-Anhängern ist nicht in Sicht.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung unter dem seit 2014 regierenden Präsidenten Nyusi weiterhin stagniert und die Jugendarbeitslosigkeit nach Angaben der Weltbank bei knapp 42 Prozent liegt. Insbesondere in den nördlichen Provinzen hatte man sich viel von den jüngsten Erdgasfunden wenige Kilometer vor der Küste versprochen. 2010 wurden dort riesige Gasfelder entdeckt, die sukzessive von internationalen Konzernen erschlossen werden sollen. Bisher ist von dem Reichtum bei der lokalen Bevölkerung allerdings nichts angekommen.
Die Unzufriedenheit mit dem Staat ist somit groß und hat dem Sozialwissenschaftler Joseph Hanlon zufolge gerade unter muslimischen Jugendlichen zu einer stärkeren Hinwendung zum Islam geführt. Seit 2015 hätten sich vornehmlich junge Männer zusammengeschlossen und sich unter dem Namen Ahlu Sunnah Wa-Jamo insbesondere gegen die lokalen Prediger und Moscheen gewandt, schreibt Hanlon. Die lokale Bevölkerung nennt sie auch al-Shabaab, arabisch für Jugend, weniger wegen einer Verbindung zu der bekannten gleichnamigen Terrorgruppe in Somalia, sondern vor allem, weil es sich hauptsächlich um junge Männer handelt. Hinzu kam, dass nach dem Tod des extremistischen kenianischen Imams Aboud Rogo Mohammed 2012 dessen Anhänger aus Kenia nach Süden flohen, zunächst nach Tansania und von dort aus ab 2015 auch über die durchlässige Grenze nach Mosambik. Aboud Rogo galt als Finanzier und Anhänger der somalischen Terrormiliz al-Shabaab. Diese Jihadisten nahmen immer mehr Einfluss auf die lokalen Jugendlichen, was zu einer weiteren Radikalisierung führte.
Die mosambikanische Regierung hat bisher keine konsistente Strategie im Umgang mit dem islamistischen Terror erkennen lassen. Bereits nach den ersten Konflikten mit Islamisten vor drei Jahren gab es Warnungen aus der lokalen Bevölkerung. Diese wurden aber von den Behörden und der Zentralregierung ignoriert. Die Eskalation der Gewalt hat jedoch niemand vorausgesehen. Plötzlich ist Mosambik zu einem Schauplatz des weltweiten islamistischen Terrors geworden. In aller Eile wurde jetzt zwar ein Antiterrorgesetz verabschiedet, das Haftstrafen bis zu 24 Jahren vorsieht, doch die militärischen Gegenmaßnahmen sind, wie beim Angriff in Mitumbate, oftmals planlos und überzogen; sie bewirken dadurch eher eine weitere Eskalation. Genau das sei aber das Ziel der Terroristen, so Hanlon in seiner Analyse. Sie wollten Überreaktionen des Militärs provozieren, die die lokalen Muslime in ihre Arme treiben.
Die Regierung um Präsident Nyusi hat aber vor allem Angst, weil auch die Gasunternehmen nervös werden. Sollten sich die sporadischen Angriffe zu einer regelrechten islamistischen Terrorkampagne ausweiten, sind die Investitionen in die Gasförderung und damit auch die Gewinne in Gefahr. Auch ist es gut möglich, dass die Islamisten ihre Angriffe weiter ins Zentrum des Landes und sogar in die Hauptstadt Maputo ganz im Süden verlagern.