Die Humboldt-Universität Berlin und deutsche Islamverbände streiten über die Form eines geplanten Islaminstituts

Islamismus mit Islamisten bekämpfen

Der Streit um die Beteiligung deutscher Islamverbände an der geplanten Ausbildung von Imamen und Religionslehrern durch die Berliner Humboldt-Universität spitzt sich zu.

Die Auseinandersetzung um das geplante Institut für Islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität (HU) ist in den vergangenen zwei Wochen eskaliert. Am 1. April war die Frist zur Unterzeichnung des Gründungsvertrags verstrichen, bis zu dem Tag hatte ihn lediglich einer von fünf Islamverbänden unterschrieben, die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS). Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) stimmte dem Vertrag nach erneuten Gesprächen am vergangenen Freitag zu. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), der Berliner Landesverband der Isla­mischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), der unter dem Namen Islamische Föderation Berlin firmiert, und der Verband der Islamischen Kulturzentren lehnen den vorliegenden Vertrag ab, der die Bildung eines Institutsbeirats vorsieht.

Der Hauptstreitpunkt ist die Forderung der konservativen sunnitischen Organisationen – die entweder über ­islamistische Vereinigungen in ihren Reihen verfügen oder von Beobachtern selbst als islamistisch eingeschätzt werden – nach einer Art Sperrminorität in dem entscheidungsbefugten Beirat des Instituts. Neben Vertretern der fünf Verbände sollen vier von der HU bestellte Hochschullehrer in dem Gremium sitzen. Während die Universität darauf besteht, dass Beiratsentscheidungen mit Zweidrittelmehrheit fallen müssen, will die Ditib für sich und die drei anderen sunnitischen Vereinigungen eine Regelung, die es ihnen erlauben, Entscheidungen zu blockieren.

Die Universitätsleitung und die Senatskanzlei wollen an der Gründung des Islaminstituts und am festgelegten Zeitplan festgehalten. »Das Institut werden wir dennoch gründen, das steht fest«, sagte der Wissenschaftsstaats­sekretär Steffen Krach (SPD) dem Tagesspiegel. »Änderungen in letzter Mi­nute, ganz besonders bei den Abstimmungsmodalitäten im Beirat, sind ­weder für uns noch für die HU tragbar«, so Krach. Der Berliner Landesverband des ZMD macht für das Scheitern der Kooperationsvereinbarung vor allem den Gründungsbeauftragten der Universität, Michael Borgolte, verantwortlich. Die Berliner ZMD-Vizevorsitzende Lydia Nofal bemängelte, dass Borgolte »seiner Rolle als Moderator nicht gewachsen ist und ihm selbst nach zweijähriger Beschäftigung mit dem Thema noch immer grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen fehlen«. Auf welche Äußerungen sich diese Kritik an dem emeritierten HU-Professor bezog, ließ sie allerdings offen.

Auch bestehen weiter grundsätzliche Einwände gegen das Institut. Anfang des Jahres forderte die Frauenrechtlerin Seyran Ateş in einem offenen Brief an Senat und Universitätsleitung, der Beirat solle nicht nur mit Vertretern konservativer Islamverbände besetzt werden. Diese repräsentierten nur einen Bruchteil der Muslime und würden meist aus dem Ausland finanziert.

»Bei einem Teil der Verbände bestehen Zweifel, ob es sich nicht um überwiegend politisch agierende Organisationen handelt, wie zum Beispiel bei Ditib oder der IGS«, sagte Sigrid Herrmann-Marschall der Jungle World. Die Bloggerin beobachtet die islamischen Organisationen in Deutschland seit Jahren. Auch der ZMD hat Herrmann-Marschall zufolge »eine ganze Reihe problematischer Vereinigungen« unter seinem Dach versammelt. Generell konterkariere eine islamische Lehre, die von den Grauen Wölfen oder der Muslimbruderschaft beeinflusst werde, die Vorteile, die eine Ausbildung von Imamen und Religionslehrern in Deutschland bringe, so die Bloggerin.

Die studentische Initiative »Gegen jeden Antisemitismus Berlin« bezeichnet die Gründung des Instituts in seiner derzeitigen Form als »ein Geschenk für den konservativen Islam«. Die Anbiederung von Politik und Verwaltung an Verbände wie die Ditib entlarve die inflationär verbreiteten »Erklärungen gegen Antisemitismus nur als klägliches Lippenbekenntnis«.
Die Präsidentin der HU, Sabine Kunst, verteidigte die Pläne. »Weil uns wichtig war, dass wir die sozial mächtigen Verbände mit am Start haben und mit ihnen zusammen die Entwicklung Islamischer Theologie betreiben können«, halte man an der bisherigen Konstellation fest, sagte sie dem RBB. Die Universität wolle »Geburtshelferin« einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit islamischer Theologie sein und werde »das mit denen zusammen auf den Weg bringen, die zusammen mit uns auch spielen wollen«, so Kunst.

Mitspielen möchte derzeit lediglich die vom Verfassungsschutz beobachtete schiitische IGS, die auf Initiative des ­Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) gegründet wurde. Der Leiter des IZH, Reza Ramezani, gilt dem Verfassungsschutzbericht 2016 zufolge als Stell­vertreter des obersten geistlichen Führers des Iran, Ali Khamenei, in Deutschland. Khamenei ist auch das Staatsoberhaupt der »Islamischen Republik«. Er ruft immer wieder zur Vernichtung Israels auf, beispielsweise im Juni 2017 anlässlich des »al-Quds-Tags« in Teheran.

Die Ditib demonstrierte vergangene Woche erneut ihren Charakter. Auf ­einem in sozialen Medien veröffentlichten Video und auf Bildern war zu ­sehen, wie kleine Kinder, bekleidet in Kampfanzügen mit türkischen Abzeichen, durch eine Herforder Ditib-Moschee marschieren und »Gefallene« mit einer türkischen Fahne bedecken. Wie das Westfalen-Blatt berichtete, ­distanzierte sich ein Vertreter des Moscheevorstands zwar von der Aufführung, doch Bilder der Veranstaltung waren zuvor auf der Facebook-Seite der Ditib Herford gepostet worden.