Kritische Astrologie - Die Erneuerung und ihre Macht über unser Leben.

Mehr kühne Demokratie wagen

Kolumne Von

KAIn diesen Tagen, in denen die SPD so desolat und sinnlos in der Gegend herumsteht, als sei sie bereits wieder verboten, in denen Sigmar Gabriel sein Töchterlein als Bartkritikerin vorschickt und Andrea Nahles im Clownskostüm seriöser und souveräner wirkt als in all den Jahren im Ministerinnenkostüm, da schallt ein Ruf durch die Partei, der Ruf nach einer überirdischen Macht, die wieder für Ordnung sorgen soll: der Ruf nach der Erneuerung. Die Erneuerung wird es richten, wird Blinde gehend und Lahme sehend machen, wird vielleicht auch der auf ihren Torso zusammengeschmurgelten Sozialdemokratie einen neuen Stoß geben in Richtung Zukunft oder Abgrund – Hauptsache vorwärts!

Die Erneuerung steht dabei außerhalb der Partei selbst, hat mit in ihr anwesenden Personen und vertretenen Ideen nichts zu tun. Olaf Scholz höchstpersönlich hat der Partei soeben Erneuerung befohlen, von oben nach unten – erneuert euch gefälligst! Das ist recht klug von ihm: Denn wer Erneuerung fordert, der kann schon mal nicht in den Verdacht geraten, ihr allein schon qua Existenz im Weg zu stehen; der darf all seine schönen Posten behalten und sein verschmitztes Frettchengesicht weiter in die Kameras halten und verkünden: Ja, noch während wir hier sprechen, wird gerade alles neu und anders, es werden auf der unteren und mittleren Ebene der Partei leider viele gehen müssen, ein Prozess, der natürlich nur von erfahrenen und jahrzehntelang bewährten Erneuerungsmanagern wie ihm, Scholz, bewältigt und beaufsichtigt werden kann. Im Übrigen ist jetzt nicht die Zeit, über Personen zu reden, denn das würde zwingend die Frage aufwerfen, wie jemand wie er, Scholz, nach G20 noch aus dem Haus gehen kann, ohne mit vergammelten Parteibüchern beworfen zu werden. Auch Kevin Kühnert wünscht sich diese Art Erneuerung, die keine Konsequenzen für Personen und Strukturen hat; natürlich will auch er all den Scholzens, Schulzens und Schilzens nicht ans Leder. Man stellt sich Erneuerung wie eine Art Durchlüften oder mal Kuchen mitbringen vor, als eine Frage des Betriebsklimas. Dabei ist der Betrieb an sich schon das Problem.