Das Medium

Der süße Idiot

Facebook und Twitter sind nicht das wirkliche Leben – so weit ist das nun wirklich keine bahnbrechende oder neue Erkenntnis. Gleichwohl ist es interessant, was der Ökonom Seth Stephens-Davidowitz Anfang Mai in der New York Times über die Unterschiede zwischen Wirklichkeit und sozialen Medien schrieb.

Fünf Jahre hatte Stephens-Davidowitz aggregierte Daten der Google-Suche ausgewertet und dabei Erstaunliches herausgefunden: Eine Suchanfrage, die mit »Mein Ehemann ist« beginnt, wird in den meisten Fällen mit den Worten »ein Idiot«, »peinlich«, »schwul« oder »gemein« enden. Der Suchmaschine vertrauen viele Menschen eben Dinge an, über die sie in der Öffentlichkeit nicht sprechen würden – dazu passt, dass derselbe Satzanfang bei Facebook-Postings in aller Regel ganz anders endet, nämlich mit »mein bester Freund«, »so süß«, »der Beste« und »wunderbar«.

Das liege daran, dass Social-Media-User gern ein idealisiertes Bild von sich und ihrem Leben verbreiten, sagt Stephens-Davidowitz: Wer in einem Super-Luxushotel in Las Vegas absteigt, wird das Check-in auch posten, im Gegensatz zu denjenigen, die sich bloß eine billige Übernachtung leisten können.

Dazu kommt: US-Amerikaner verbringen sechsmal so viel Zeit mit dem Spülen von schmutzigem Geschirr wie auf dem Golfplatz – aber übers Golfen wird mehr als doppelt so oft getwittert. Plus: Alle verlinken immer die Zeitschriften, die sie besonders gebildet erscheinen lassen, und nie die, die sie tatsächlich lesen, und so weiter und so fort.

Stephens-Davidowitz rät daher allen, die ihr eigenes Leben viel langweiliger als die zur Schau gestellten der anderen finden, zu einem neuen »Selbsthilfe-Mantra für das 21. Jahrhundert«, das da lautet: »Vergleiche deine Google-Suchen bloß nicht mit anderer Leute Facebook-Postings.«