Die Vorschläge des Bundesinnenministers zur inneren Sicherheit sind autoritär

Legal, illegal, antiföderal

Die neuen Forderungen des Bundesinnenministers stoßen auf großen Widerstand vor allem der Bundesländer. Sie verdeutlichen, welche Tendenz die Diskussion zur inneren Sicherheit hat.

Vereinfachte Abschiebung, besserer Schutz der EU-Außengrenzen und eine bessere Koordination der Behörden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene – viele Forderungen, die Bundesinnenminister Thomas de Maizières (CDU) in seinen »Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten« kürzlich erhoben hat, sind weder neu noch überraschend. Auch die erst Ende Dezember vom Europäischen Gerichtshof wieder einmal für illegal erklärte Vorratsdatenspeicherung hat de Maizière erneut ins Gespräch gebracht – ein echter Klassiker staatlicher Überwachung.
Für einige Überraschung hat dagegen der Vorschlag gesorgt, den Verfassungsschutz und weitreichende polizeiliche Befugnisse auf Bundesebene zu zentralisieren. Erwartungsgemäß missfällt das den Ländern, denn die Pläne zögen die Abschaffung der 16 Landesverfassungsschutzämter nach sich. Unklar ist indes, weshalb sich de Maizière nicht erst einmal um akute Probleme kümmert, statt neue Forderungen vorzubringen. Der Fall Anis Amri war vor dem 19. Dezember 2016 mehrfach Gesprächsgegenstand im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern, den Anschlag hat das nicht verhindert. Statt dieses Versagen aufzuklären, fordert der Bundesinnenminister eine Neuordnung der Befugnisse.
Doch Befugnisse der inneren Sicherheit liegen nicht ohne Grund auch bei den Ländern. Der Föderalismus kann ein Schutz gegen einen Zentralstaat sein, der nach weitreichender Kontrolle über seine Bürgerinnen und Bürger strebt. Genau diese Schutzmechanismen will de Maizière offenbar leichtfertig opfern – ein autoritäres Vorhaben, das auch dem »Islamischen Staat« gefallen dürfte. Der Minister erwähnt dabei »andere Staaten« als Vorbild. Dass viele dieser Staaten eine sehr viel gefestigtere und ohnehin anders geartete demokratische Tradition haben als Deutschland, wird in der Diskussion jedoch meist ignoriert. Welche Konsequenzen sich aus der Einrichtung eines starken zentralen Inlandsgeheimdiensts ergeben, bleibt hoffentlich für immer der Spekulation überlassen.
Dass de Maizière auch Pläne für den Einsatz der Bundeswehr im Innern hat, überrascht da nicht sonderlich. So spricht der Innenminister von Bedrohungslagen, die die Kapazitäten der Polizei übersteigen könnten, beispielsweise beim Objektschutz. Erst im Jahr 2015 wurde genau für diesen Zweck allerdings die »Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Plus« der Bundespolizei geschaffen, ein Spezialverband zur Terrorabwehr. Grundsätzlich stellt sich die Frage, welche terroristischen Attacken de Maizière in Zukunft erwartet, wenn er fürchtet, die Polizei, die bereits über Panzerfahrzeuge und Schnellfeuerwaffen verfügt, könne an ihre Grenzen kommen. Sollte ein solch großangelegter Terroranschlag zu befürchten sein oder stattfinden, könnte sich die Bundesregierung auf den Verteidigungsfall gemäß Artikel 115a des Grundgesetzes berufen. Neue Gesetze wären nicht notwendig.
Doch mit weiteren ausufernden Forderungen drängt de Maizière offensichtlich auf neue Gesetze, etwa wenn es um biometrische Erfassung und ­Videoüberwachung geht. Selbstverständlich dürfte der Minister wissen, dass seine Forderungen nicht in dieser Form zu Gesetzen werden. Dennoch ­erhält er Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dies dürfte auch dem Bundestagswahlkampf geschuldet sein. Mit der AfD hat die CDU Konkurrenz am rechten Rand, de Maizières Ideen kommen genau richtig, um der Union mit der Rede von umfassenderer Überwachung und größer bundesstaatlicher Macht ein strammes sicherheitspolitisches Profil zu geben. Das Wort Prävention, beispielsweise durch frühzeitige Identifizierung und Aufklärung gefährdeter Jugendlicher, kommt in den Plänen de Maizières nicht einmal vor. Dass die Landesregierungen Stärke zeigen und auf ihren föderalen Befugnissen beharren, könnte den Begehrlichkeiten des Innenministers Grenzen setzen. Wenn es unter den herrschenden Umständen schon Geheimdienste braucht, dann wenigstens mit so viel föderaler rechtsstaatlicher Kontrolle wie möglich.