Das Geschäft mit dem Wrestling

Vier Fäuste für die Einschaltquote

Beim Wrestling geht es ums Geschäft. Der Marktführer World Wrestling Entertainment versucht mit einer Ausdehnung der Sendezeit und dem Einkauf neuer Superstars den sinkenden Zuschauerzahlen entgegenzuwirken.

Im Gegensatz zu anderen Sportarten macht beim Wrestling niemand ein Geheimnis daraus, dass es in erster Linie ums Geschäft geht. Wer vom Wrestling redet, spricht meist vom business, und der führende Veranstalter und Vermarkter World Wrestling Entertainment (WWE) nennt sein Produkt ganz bewusst nicht Sport, sondern sports entertainment. Aktien der Firma werden bereits seit 1999 an der New Yorker Börse gehandelt.
Die Geschäfte laufen gut derzeit – zumindest was die reinen Zahlen angeht. Rund 660 Millionen Dollar Umsatz hat das Unternehmen 2015 gemacht. Das ist mehr, als sämtliche Vereine der zweiten Fußball-Bundesliga in der vergangenen Saison zusammen umgesetzt haben, und die Zahlen für das erste Quartal 2016 deuten bereits eine weitere Steigerung an. Abseits der Zahlen jedoch hat WWE gewichtige Probleme, die das Unternehmen zu einigen der größten Umwälzungen der Firmengeschichte veranlasst haben.
Das größte Problem von WWE sind derzeit die Einschaltquoten. Zwar sind die Zuschauerzahlen der Sendung Raw, die am Montagabend live auf dem Kabelsender USA Network ausgestrahlt wird, okay. Die Sendung Smackdown, die bis Mitte August am Donnerstagabend als Aufzeichnung ebenfalls von dem zum Unterhaltungskonzern NBC-Universal gehörenden Sender zu sehen war, hinkt bereits seit Längerem deutlich hinterher.
Da erscheint es wenig verwunderlich, dass man bei NBC-Universal nicht sehr zufrieden war und auf Veränderungen drängte. Ebenso klar war es, dass sich WWE dem ökonomisch deutlich stärkeren Geldgeber, dessen Jahresumsatz bei über 28 Milliarden Dollar liegt, nicht zu widersetzen wagte. Auf der Suche nach möglichen Konzepten hat die Firma tief in der eigenen Vergangenheit gewühlt und setzt nun auf eines, das bereits vor eineinhalb Jahrzehnten zumindest kurzfristig relativ gut funktioniert hat.
Im Jahr 2002 nämlich hatte die Firma schon einmal mit sinkenden Quoten zu kämpfen – wenn auch auf deutlich höherem Niveau. Im Jahr zuvor hatte WWE die konkurrierende Promotion World Championship Wrestling (WCW) aufgekauft und damit den einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten aus dem Markt gedrängt mit dem Ergebnis, dass eine wachsende Zahl von Zuschauern das Interesse am Wrestling zu verlieren schien.
Um das Geschäft zu beleben, entschied sich WWE damals die Belegschaft in zwei strikt getrennte Kader, sogenannte roster, für zwei strikt getrennte Shows aufzuteilen und so quasi einen hausinternen Wettstreit zu entfachen. Die Quoten wurden in der Folge zwar nicht unbedingt besser, ihre Talfahrt verlief jedoch deutlich langsamer und die Fans schienen an der neuen Ausrichtung der beiden Fernsehshows Gefallen zu finden.
Im Mai dieses Jahres verkündete WWE, genau das gleiche erneut tun zu wollen. Um zudem Smackdown, das in den Augen der Fans schon lange zu einer Art B-Show verkommen war, aufzuwerten, sollte die Sendung in Zukunft ebenfalls live und zwar am Dienstagabend gesendet werden. Wenig später dann wurde verkündet, dass der Draft, im Zuge dessen die Wrestler und Wrestlerinnen auf die beiden Sendungen aufgeteilt werden sollten, am 19. Juli im Rahmen der ersten Liveausgabe von Smackdown stattfinden sollte.
Die Resonanz auf den Draft scheint WWE recht zu geben. Rund 3,2 Millionen Zuschauer sahen die erste Ausgabe von Smackdown am neuen Sendeplatz. Das waren sogar noch einige Tausend mehr als am Vorabend bei Raw und eine satte Million mehr als in der Vorwoche. Auch Raw konnte bei der ersten Ausstrahlung im neuen Format, seine Zuschauerzahlen steigern, wenn auch in deutlich geringerem Maß. Ob dieser Trend anhält, ist derzeit unklar.
Um jede Woche montags drei und dienstags zwei Stunden auf hohem Niveau live senden zu können, braucht WWE allerdings deutlich mehr gutgeschultes Personal als zuletzt, zumal auch noch an mehreren Abenden der Woche Liveshows in verschiedenen Städten und mindestens einmal im Monat eine mehrstündige Pay-per-view-Veranstaltung hinzukommen. Die erschreckend hohe Zahl von verletzten Wrestlern, gerade auch von absoluten Topstars, deutet darauf hin, dass in jüngster Zeit viele Angestellte von WWE deutlich über die Grenze der Belastbarkeit hinausgegangen sind. Schon alleine weil jeder Ausfall eines der großen Publikumsmagneten die Firma größere Summen an Verdienstausfällen durch sinkende Merchandising- und Ticketverkäufe kostet, bestand hier dringender Handlungsbedarf.
WWE hat sich daher auf große Einkaufstour begeben und vor allem bei den Konkurrenten New Japan Pro Wrestling (NJPW), Total Nonstop Action Wrestling (TNA) und Ring of Honor (RoH) etliche der großen Namen abgeworben, von denen die meisten jedoch derzeit noch in der WWE-Kaderschmiede NXT zwischengeparkt sind. Allen voran zu nennen wäre hier sicher AJ Styles, der alle drei Unternehmen in den vergangenen Jahren in hohem Maße mitgeprägt hat. Aber auch Austin Aries, Shinsuke Nakamura, Andrade Almas alias La Sombra oder Asuka werden ihren bisherigen Arbeitgebern mindestens so sehr fehlen, wie sie WWE helfen werden.
Die brand extension, wie die erneute Aufteilung des roster von WWE bezeichnet wird, birgt jedoch auch einige nicht zu unterschätzende Risiken. Zum einen wird es wichtig sein, dass der Split in zwei roster diesmal anders als 2002 tatsächlich konsequent durchgezogen und somit für die Zuschauer glaubhaft wird. Zum anderen brauchen Raw und Smackdown jeweils eigene, voneinander klar unterscheidbare Profile. Dass die eine Show die Farbe Rot verwendet und die andere Blau, wird auf Dauer nicht ausreichen.
Zurzeit jedoch sieht es eher so aus, als wenn Raw das bessere Personal abbekommen hat und Smackdown deutlich schlechter aufgestellt ist. Mit Enzo Amore, Big Cass, Finn Bálor und Sasha Banks sind die derzeit beliebtesten Nachwuchskräfte allesamt bei Raw gelandet. Es wird daher darauf ankommen, einige der Wrestler bei Smackdown, die bislang in der midcard, also in der zweiten Reihe, aktiv waren, zu echten Topstars aufzubauen. Zumindest Dolph Ziggler als Widergänger des legendären Shawn Michaels, Baron Corbin und vor allem der mit einem unvergleichlichen Charisma gesegnete Bray Wyatt sollten das Potential dazu ­haben.
Die bei weitem größte Gefahr für WWE dürfte jedoch in der möglichen Übersättigung des Publikums liegen. Nicht genug damit, dass es jetzt jede Woche fünf Stunden Live-Wrestling im Free-TV geben wird. WWE hat bereits angekündigt, dass es in acht von zwölf Monaten in Zukunft auch zwei Pay-per-view-Sendungen geben wird – jeweils eine mit dem Personal beider Sendungen. Ein wichtiger Beweggrund für diese Entscheidung dürfte sein, dass WWE ihren eigenen Streaming-Dienst WWE Network stärken will beziehungsweise fürchtet, dieser könnte bei so vielen Live-Sendungen an Bedeutung verlieren. Wer da noch alles sehen will – inklusive der kleineren Shows NXT, Superstars und Main Event –, wird also demnächst fast jede zweite ­Woche mehr als zehn Stunden vor dem Fernseher verbringen müssen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn das den meisten Zuschauern dann doch etwas zu viel wäre.