Unsere Wurst

Dass die Bereitschaft, sich aufzuregen, größer ist als die Bereitschaft, sich Texte mit aufregendem Inhalt bis zum Ende durchzulesen, gehört zu den Punkten, die die Menschheit so anstrengend machen. Manchmal dauert es aber auch eine Weile, bis die richtig große Aufregung in Gang kommt, wie gerade im schwedischen Kalmar. Während sich Deutschland vergangene Woche über ein angebliches Schweinefleischverbot empörte, streitet man in Kalmar für die Wurst. Beziehungsweise eine Wurstbude. Die liegt mitten auf dem Larmtorget, einem überschaubar großen Platz mit vielen Kneipen, Restaurants und sonstigem Amüsement, und soll nun dort weg. Denn die Leute kaufen dort nachts Wurst, was »zu Unordnung« führe, wie Benny Wennberg vom zuständigen Service-management der Stadtverwaltung vor rund drei Wochen einer Zeitung sagte. Wurst solle künftig nur noch an fünf Stellen in der Stadt verkauft werden dürfen, aber nicht mehr auf dem Larmtorget.
Bis diese eigentlich recht klare Botschaft bei ihren Empfängern, also den Einwohnern von Kalmar, angekommen war, dauerte es etwas. Aber am Wochenende wurde dann sogar die Politik tätig und einige Mitglieder der Christdemokraten trafen sich nachts zum demonstrativen Wurstessen auf dem Platz. »Man muss kein Einstein sein, um zu kapieren, dass Lärm und Ärger nicht dadurch entstehen, dass Leute zu viel Wurst gegessen haben«, mokierte sich Christopher Dywik; auf dem Larmtorget werde nun schon seit Jahrzehnten Wurst angeboten und das solle so bleiben. Wenn die Einwohner den Ankündigungsartikel erst zu Ende gelesen haben, werden sie aus dem Solidaritätsessen nicht mehr herauskommen, denn neben Wurst sind unter anderem auch Erdbeeren betroffen, die künftig ebenfalls nicht mehr auf dem Larmtorget angeboten werden dürfen.