Neonazis im Fürstentum Liechtenstein

Klein, aber gemein

Die Liechtensteiner Sektion der antisemitischen und antiamerikanischen »Europäischen Aktion« und die »Volkstreue Jugend Fürstentum Liechtenstein« sind in Europa offenbar gut vernetzt.

Das Fürstentum Liechtenstein ist ein kleines Land, ein sehr kleines sogar. Von der Fläche her ist es das sechstkleinste der Welt, und mit nur 36 500 Einwohnern wohnen dort kaum mehr Menschen als in einer durchschnittlichen europäischen Kleinstadt. Für ihre bescheidene Größe jedoch hat die konstitutionelle Erbmonarchie eine bemerkenswerte rechtsextreme Szene.
Wirklich verwundern kann das nicht. Politisch ist Liechtenstein traditionell mehr als konservativ. Bei den letzten Wahlen zum Landtag 2013 entfielen nur 11,1 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die einzige nichtkonservative Partei, die »Freie Liste«. Die überwältigende Mehrheit stimmte für die christlich-konservative »Fortschrittliche Bürgerpartei«, die sozial-konservative »Vaterländische Union« oder die liberal-konservative Wählergruppierung »Die Unabhängigen«.

Auch das Fürstenhaus von Liechtenstein hat nicht gerade eine unbelastete Vergangenheit. Während der Zeit des Nationalsozialismus erwarb der damalige Fürst Franz Josef II. in Österreich mehrere »arisierte« Betriebe in der Holz- und Papierindustrie. Ferner wurden auf drei landwirtschaftlichen Gütern des Fürsten auf damals deutschem Boden aus Ungarn deportierte jüdische KZ-Insassen als Zwangsarbeiter eingesetzt. Der Fürst selbst will davon natürlich nichts gewusst haben.
Verhindert werden konnte hingegen 1939 ein von der nationalsozialistischen »Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein« (VDBL) vorangetriebener Anschluss des Fürstentums an das Großdeutsche Reich. Dennoch meldeten sich Mitglieder der VDBL als Freiwillige für Wehrmacht oder Waffen-SS. Insgesamt nahmen 92 Liechtensteiner – fast ein Prozent der Bevölkerung – auf deutscher Seite am Zweiten Weltkrieg teil. Der Bekannteste unter ihnen dürfte Martin Hilti gewesen sein. Der Gründer des bekannten Werkzeugherstellers Hilti trat 1941 der Waffen-SS bei, absolvierte nach eigenen Angaben jedoch nur die Grundausbildung.
Heutzutage ist die extrem rechte Szene Liechtensteins weniger eindeutig auf Deutschland ausgerichtet. Mindestens ebenso wichtig wie der Blick gen Norden ist der zu den direkten Nachbarn in Österreich und vor allem in der Schweiz. Die beiden wichtigsten und aktivsten Gruppierungen sind derzeit die Liechtensteiner Sektion der Europäischen Aktion (EA) und die Volkstreue Jugend Fürstentum Liechtenstein (VJFL), die offenbar auch untereinander gut vernetzt sind.

Gegründet wurde die EA im Jahr 2010 vom Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub (Jungle World 50/13). Spätestens ab Herbst 2011 betätigte sie sich auch in Liechtenstein. Als »Landesleiter« trat dabei immer wieder der inzwischen offiziell zurückgetretene Oliver Hasler in Erscheinung. Hasler war auch mit von der Partie, als die EA im April vorigen Jahres im Schweizer Kanton St. Gallen einen Vortragsabend ausrichtete. An dieser Veranstaltung nahmen unter anderem auch der stellvertretende Vorsitzende der »Partei National Orientierter Schweizer«, Adrian Segessenmann, der rechtsextreme Publizist Richard Melisch aus Österreich sowie der Brandenburger Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN), Pierre Dornbrach, teil. Überraschend offen brachte in diesem Zusammenhang das Schweizer Tagblatt die politischen Ziele der EA auf den Punkt: »Sie will einen diktatorischen Staat gemäß nationalsozialistischen Vorstellungen, den alle Einwohner und Einwohnerinnen außereuropäischer Herkunft verlassen müssten.«
Die VJFL trat ebenfalls 2011 erstmals öffentlich in Erscheinung, als am 5. Dezember ihr seitdem regelmäßig upgedateter Internetauftritt online ging. Gehostet wird dieser vom Bloganbieter logr.org, der von Dennis Giemsch betrieben wird, einem Neonazi, der bis vor kurzem für die extrem rechte Kleinstpartei »Die Rechte« im Dortmunder Stadtrat saß. Außerhalb des Internets jedoch tritt die VJFL eher sporadisch in Erscheinung. Nur vereinzelt wurden in den vergangenen Jahren rechtsextreme Flugblätter und Aufkleber verteilt. In ihrer politischen Ausrichtung bekennt sich die VJFL zum »Nationalen Sozialismus« und bezieht sich positiv auf das »deutsche Volk«. Als Logo verwendet die Gruppe ein Symbol aus gekreuzten Hammer und Schwert, mit dem sie sich auf den sogenannten nationalrevolutionären Flügel der NSDAP und deren Führungspersönlichkeiten Gregor und Otto Strasser bezieht. Der gleichen Symbolik bedienten beziehungsweise bedienen sich unter anderem auch die inzwischen verbotene Kameradschaft »Freies Netz Süd« (FNS) sowie die extrem rechte Kleinstpartei »Der III. Weg«, die als Auffangbecken von FNS-Mitgliedern gilt. Reiner Zufall scheint all das nicht zu sein. Immerhin nahmen im August 2011 – also kurz vor dem dem ersten Auftreten der VJFL – an dem vom FNS veranstalteten »4. nationalen Frankentag« in Roden-Ansbach nach Angaben des Aida-Archivs auch Neonazis aus Liechtenstein teil. Die Partei »Der III. Weg« wiederum verlinkt auf ihrer Internetseite die »Europäische Aktion«, deren Banner auch zeitweise den Internetauftritt der VJFL schmückte.
Sowohl die VJFL als auch die Liechtensteiner Sektion der EA sind also offenbar gut eingebunden in Europas extrem rechte Szene. Auch wenn sie derzeit vor allem im Internet oder mit Flugblättern in Erscheinung treten, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass das so bleiben muss. Immer wieder hat es auch in Liechtenstein Gewalttaten mit rassistischen und rechtsextremen Motiven gegeben. Im Februar 2010 wurde ein Brandanschlag auf einen Dönerimbiss in Nendeln verübt. Im September 2008 griff eine Gruppe von 20 zum Teil bewaffneten Nazis – die Hälfte von ihnen aus der Schweiz – in Mauren überwiegend türkische Besucher eines Festes an und verletzte unter anderem einen der anrückenden Polizisten schwer.
Die Liechtensteiner Polizei rechnet etwa 40 Bürger des Fürstentums dem harten Kern der extrem rechten Szene zu. Mitläufer und Sympathisanten dürfte es deutlich mehr geben. Eine Untersuchung des Amts für soziale Dienste kam 2006 zu dem Schluss, dass etwa 20 Prozent der Liechtensteiner Jugendlichen »mit nationalsozialistischen Ideen sympathisieren«. Weitere vier Prozent unterstützen sie ganz offen.

Wirklich weltoffen ist allerdings auch der Liechtensteiner Staat selbst nicht. Von den rund 12 000 Ausländern, die in Liechtenstein leben, hat rund ein Drittel lediglich eine »Jahresaufenthaltsgenehmigung«. Dauerhafte Aufenthaltserlaubnisse werden derzeit nach Behördenangaben pro Jahr nur 72 Stück erteilt, wobei die Hälfte verlost wird. 56 davon gehen an Menschen aus der Schweiz und aus Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums. Für Menschen aus dem Rest der Welt bleiben folglich nur noch 18 Aufenthaltsgenehmigungen, auf die nur hochqualifizierte Führungskräfte mit langjähriger Berufserfahrung Aussicht haben. Als Flüchtling anerkannt wurde im Jahr 2013 exakt eine Person. Dass Neonazis sich in einem solchen Klima pudelwohl fühlen, ist wenig verwunderlich.