Der deutschnationale Flügel der »Alternative für Deutschland« wird stärker

Goldjungen mit Faible für Hooligans

Während wirtschaftsliberale Vertreter die Partei verlassen, erhält der deutschnationale Flügel der »Alternative für Deutschland« Zulauf.

Der Euro wackelt, die Wirtschaft schwächelt und niemand weiß, wann die nächste Krise kommt. Gold gilt in einer solch düsteren Lage als beständige Wertanlage. Der Handel mit Gold bietet offenbar auch die Lösung für die finanziellen Probleme der »Alternative für Deutschland« (AfD). Seit kurzem bietet sie auf ihrer Webseite einen sogenannten Gold-Shop an, der sich für die Partei als ein einträgliches Geschäft erweist. Um die volle staatliche Parteifinanzierung zu erhalten, muss sie in gleicher Höhe selbsterwirtschaftete Einnahmen vorweisen. Zugleich boomt der Online-Handel. Innerhalb weniger Tage verkaufte sie Goldbarren und Münzen im Wert von rund 1,6 Millionen Euro. Es ist eine fast perfekte Geschäftsidee: Die Partei schürt unentwegt Ängste wegen der Euro-Krise – nun bietet sie ihren Anhängern auch gleich einen praktischen Ausweg an.

Der bizarre Goldhandel stärkt allerdings nicht gerade den seriösen Eindruck, den die Partei vermitteln möchte. »Das ist ein Tiefpunkt unserer Parteienkultur«, sagte der Staatsrechtler Jörn Ipsen Spiegel online. Dabei ist nicht einmal klar, von welcher Partei die Rede ist, denn im Grunde genommen handelt es sich bei der Alternative für Deutschland um zwei verschiedene Fraktionen. Einerseits vertritt die AfD ein liberal-konservatives Bürgertum, das den pragmatischen Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verabscheut, den Euro verachtet und die D-Mark wieder haben will. Repräsentiert wird dieses Milieu von Parteigründer Bernd Lucke, dem smarten Wirtschaftsprofessor und treuherzigen Familienvater, der stets den bürgerlichen Charakter seiner Partei betont. Gerne verweist er auf die soziale Herkunft vieler AfD-Mitglieder und die zahlreichen Professoren in den eigenen Reihen.
Ein wesentlicher Teil der Partei hat jedoch mit dem akademischen Image wenig gemein. Statt Pfeife rauchender Anzugträger mit graumeliertem Haar prägen gewaltbereite Hooligans und Kleinbürger mit obskuren Verschwörungstheorien diese Szene. Als kürzlich der Aufmarsch rechtsradikaler Hooligans in Köln auf einschlägigen AfD-Facebook-Seiten bejubelt wurde, drohte Lucke Teilnehmern »mit Parteiordnungsmaßnahmen bis hin zum Parteiausschluss«. Auf der »Patriotischen Plattform«, einem Zusammenschluss der Parteirechten, wurde daraufhin offen gegen den Bundesvorstand polemisiert. »Unsere Führung regt sich darüber auf, wenn ein paar von uns versuchen, mit besorgten Hooligans zu demonstrieren«, heißt es in einem Aufruf.
Das Thema spaltete auch die Delegierten des Hamburger Landesverbands auf ihrem Parteitag am Wochenende. »Die Hooligans waren radikal friedlich«, verteidigte ein AfD-Mitglied den Aufmarsch in Köln. Als der AfD-Landesvorsitzende Jörn Kruse empört reagierte und den Ausschluss der Hooligan-Sympathisanten aus der Partei forderte, erntete er scharfe Proteste. Am Ende des Parteitags beschlossen die Delegierten unter anderem, 500 zusätzliche Stellen für die Polizei in Hamburg und eine konsequentere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu fordern. Zu einem Parteiausschluss der Hooligan-Unterstützer kam es nicht.

Wie in Hamburg drehen sich die innerparteilichen Auseinandersetzungen der AfD nicht mehr um ihre früheren Themen wie die Euro-Krise und wirtschaftspolitische Fragen. Derzeit streitet sich die Basis über den Islam und die deutsche Einwanderungs- und Außenpolitik. Wenn der Parteivorsitzende Lucke verkündet, dass die AfD die Zuwanderung sinnvoll steuern wolle, sieht der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke dadurch die »Identität des deutschen Volkes« bedroht. Während Lucke erklärt, dass seine Partei nicht fremdenfeindlich sei, wird an der Parteibasis eifrig Stimmung gegen alle gemacht, die nicht deutscher Herkunft sind. Einwanderung, Gleichstellungspolitik oder das Verhältnis zu Russland – bei keinem dieser wesentlichen Themen existiert eine kohärente Position.
Dem wirtschaftsliberalen Flügel ist diese Entwicklung ein Gräuel. »Da sitzt man auf einem Parteitag und hört irgendwelche wilden Verschwörungstheorien«, stöhnt dessen prominentester Vertreter, der stellvertretende Sprecher der Partei, Hans-Olaf Henkel. »Ich werde dann ganz klein und schäme mich in Grund und Boden«, sagte er in der Zeit. Besonders verärgert zeigt er sich über die »Ideologen, Goldgräber, Karrieristen« sowie »diese ganzen Russland-Versteher«. Damit meinte er vor allem seinen Amtskollegen in der AfD, Alexander Gauland, der die Bismarcksche Rückversicherungspolitik gegenüber Russland aus dem 19. Jahrhundert wiederbeleben möchte. Zugleich kritisiert Gauland die transatlantische Anbindung Deutschlands, die er durch eine nationalistische Interessenpolitik ersetzen will.

Als Lucke öffentlich die EU-Sanktionen gegen Russland unterstützte, handelte er sich damit jede Menge Ärger ein. Auf dem Parteitag im Juli kam es deswegen zum Eklat – ein entsprechender Antrag, der sich für die Sanktionen aussprach, wurde von den Delegierten klar abgewiesen.
Auch Gauland griff seinen Widersacher scharf an. »Wenn jemand sagt, dass er sich für die Partei schämt, dann muss er die Partei verlassen«, sagte er der Bild-Zeitung. Zwar rudert Henkel mittlerweile zurück – er habe nur einzelne Mitglieder, aber nicht die gesamte Partei kritisieren wollen, sagte er am Rande einer Vorstandsklausur der AfD, die am Wochenende in Regensburg stattfand. Dort war man sehr bemüht, möglichst harmonisch aufzutreten. Doch die Widersprüche bleiben, denn im Gegensatz zu den beschwichtigenden Aussagen Henkels erhält der deutschnationale Flügel viel Zulauf. Der jüngste Erfolg bei Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern lässt sich darauf zurückführen. Dort spielten weniger wirtschaftspolitische Themen, sondern die Agitation gegen Flüchtlinge und Migranten eine entscheidende Rolle. So verteidigt etwa der Landesverband von Mecklenburg-Vorpommern gemeinsame Abstimmungen mit der NPD, in Brandenburg veröffentlichte ein designierter AfD-Landtagsabgeordneter antisemitische Karikaturen auf Facebook. Zugleich verlassen die wirtschaftsliberalen Unterstützer die Partei, wie die ehemalige Parteisprecherin Dagmar Metzger.
Mittlerweile warnt selbst die extrem rechte Junge Freiheit davor, den liberal-konservativen Flügel zu verlieren. »Die Fliehkräfte nach ›rechts‹ sind jedoch enorm«, hieß es kürzlich in einem Kommentar der Zeitung. Wenn es nicht gelinge, sich von Nazis abzugrenzen, drohe die Partei im »politischen Nirwana« zu verschwinden.
Andererseits gelingt es der Partei immer häufiger, die konservativen Eliten ansprechen. So lobte kürzlich der Berliner Unternehmer Hans Wall die AfD als »Partei des Mittelstandes«, für die er gerne spende. Wenig später erklärte Heinrich Weiß, ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und Bundesvorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates, dass er die AfD schätze und finanziell unterstütze. Allerdings fügte er hinzu, dass es die Partei schwer haben werde, wenn »es der AfD nicht gelingt, diese Rechtsradikalen auszuschwitzen«.
Probleme könnten auch noch von anderer Seite drohen. Die Bundestagsverwaltung will nun prüfen, ob der Goldhandel ein legitimes Mittel für die Parteienfinanzierung ist. Und selbst wenn das obskure Geschäft bestätigt wird – der Goldpreis sinkt seit geraumer Zeit unaufhörlich. Ein gutes Geschäft sieht wohl anders aus.