Wenig Fußball, viel Rassismus

Etwa 4 000 Menschen folgten dem Aufruf der »Hooligans gegen Salafisten« nach Köln. Die pogromartige Stimmung auf der Demonstration zeigte erneut den rassistischen Charakter der Schlägertruppe.

Es mangelt nicht am Willen zu bürgerschaftlichem Engagement: »Endlich was für Deutschland tun« – das wollen die »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa), ein Bündnis aus Fußballfans verschiedener Vereine. Ein erstes Mal traten sie im Mai 2014 in Mannheim in Erscheinung, es folgten weitere öffentliche Treffen, unter anderem in Köln, Essen und Dortmund.

uch am Sonntag in Köln fand sich das braune Sammelsurium ein, das schon in den anderen Städten aufgetaucht war. Unter den Demonstrierenden waren beispielsweise Mitglieder der Partei »Die Rechte«, der NPD, der Neonazigruppe »Freies Netz Hessen«, der türkischen »Grauen Wölfe«, der extrem rechten Hooligan-Gruppe »Borussenfront« aus Dortmund und Personen, die aus der Bewegung der »Identitären« oder dem Umfeld der Pro-Gruppen stammen. Zur Demonstration wurde überwiegend über soziale Netzwerke aufgerufen. Etwa 27 000 Leute hatten auf Facebook den »Gefällt mir«-Button für die Veranstaltung gedrückt, etwa 7 000 ihr Kommen angekündigt.

Was dann in Köln passierte, sorgte in ganz Deutschland für Schlagzeilen. Die Polizei hatte mit ungefähr 1 500 Teilnehmenden gerechnet und war selbst mit etwa 1 000 Einsatzkräften an Ort und Stelle. Tatsächlich versammelten sich aber mindestens 4 000 Personen gegen 15 Uhr auf dem Breslauer Platz, wo zur Auftaktveranstaltung die Rechtsrockband »Kategorie C« ihr erstes öffentliches Konzert seit langem gab. »Heute schächten sie Schafe und Rinder, morgen vielleicht schon Christenkinder«, tönte es aus den Boxen. Im Publikum wurde immer wieder der Hitlergruß gezeigt, eine Fahne mit der Aufschrift »Klagt nicht, kämpft« wehte über den Köpfen der Menge, Na
ziparolen waren zu hören, Journalisten wurden beleidigt und attackiert.

Als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte, eskalierte die Situation schon nach wenigen hundert Metern. Der rassistische Mob griff ein asiatisches Restaurant an, warf Flaschen und Steine. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, es gelang ihr jedoch nicht, die Lage unter Kontrolle zu bringen – auch nicht während der Abschlusskundgebung. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen. Am Ende des Spektakels entließ die Ordnungsmacht ungefähr 800 zuvor Eingekesselte in Kleingruppen und ohne Identitätsfeststellung, obwohl etliche von ihnen kurz zuvor ein Polizeiauto umgeworfen und die Scheiben des Hauptbahnhofs zerstört hatten, was ein Pianist vor dem Bahnhofsgebäude auf einem Flügel mit Helene Fischers »Atemlos« musikalisch untermalt hatte. Bis in den Abend jagten Anhänger der Hogesa mutmaßliche Andersdenkende.

Neu an diesem Geschehen ist, dass Fußballfans vereinsübergreifend öffentlich auftreten, sich politisch äußern und ihre Organisationsformen in den Dienst einer Sache stellen. Im Ausland, wie zum Beispiel in Polen, ist dies schon lange üblich. Hierzulande sind die Hogesa das erste Bündnis von Fan- und Hooligan-Gruppen, das in einem politischen, nicht fußballspezifischen Kontext außerhalb des Stadions in Erscheinung tritt. So gar nicht neu ist daran, dass extrem rechte Gruppen eine reaktionäre gesellschaftliche Stimmung aufgreifen und Taten folgen lassen. Die Hogesa treten in einer rassistischen Atmosphäre auf den Plan, die von sogenannten Meinungsmachern wie Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky vorbereitet wurde und angesichts steigender Flüchtlingszahlen von Parteien wie der »Alternative für Deutschland« geschürt wird. Ähnlichkeiten zu der Situation in den Neunzigern waren an diesem Tag zu erkennen, als der rassistische Mob durch die Straßen zog. Doch ein Faktor, der in dieser feindseligen, angespannten Stimmung noch fehlte, war ein klares Ziel, an dem sich der Hass entladen konnte.
»Salafismus« ist dabei nur ein Füllwort, das sich angesichts des derzeitigen Weltgeschehens aufdrängte und als Platzhalter für Migranten schlechthin steht. Dies offenbarte sich in den Wochen seit der Gründung der Gruppe, in denen sich ein inhaltlicher Wechsel vollzog. Zu Beginn formulierten die Hogesa vor allem auf Facebook ihre Wut auf die »Salafistenschweine« und begründeten die öffentlichen Auftritte damit, dass Hooligans und Fußballfans »getrennt in den Farben – in der Sache vereint« als gesellschaftliche Avantgarde tätig werden müssten. Im Lauf der Zeit fanden sich in Stellungnahmen und Facebook-Posts immer deutlichere rassistische, deutschnationale und völkische Aussagen. Von einer Verteidigung »unserer Frauen und Kinder«, einem vermeintlich »friedvollen Leben in Deutschland« sowie von »deutschem Volk und deutscher Kultur« war die Rede.

Der Hooligan wurde dabei zum männlichen Beschützer stilisiert, der sich gegen den äußeren Feind zur Wehr setzen muss, um die Existenz des »deutschen Volkes« zu wahren. Dies ermöglichte den ideologischen Schulterschluss zwischen Hooligans und der extremen Rechten, der auch in den weiteren Feindbildern von der »deutschlandfeindlichen Antifa« und der Polizei zu erkennen war – in Köln unterstrichen durch Parolen wie »Wir sind Deutsche, was seid ihr?« und »Deutsche Polizisten schützen Salafisten«.

Allerdings handelte es sich bei den Demonstrierenden nicht um eine homogene Masse von Gewalttätigen. Die Heterogenität der Gruppe zeichnete sich bereits in den Diskussionen auf Face
book vor der Demonstration ab und zeigte sich nach dieser noch stärker. Zwar bejubelt eine Mehrheit die Geschehnisse, hofft auf weitere Ereignisse dieser Art und klopft sich auf die Schulter. Stimmen, die vor allem die Beteiligung von Neonazis, das Abrücken vom Fußball und die hohe Gewaltbereitschaft kritisieren, häufen sich jedoch. Die wie
derholten Interventionen der Veranstaltungsleitung in Köln, die über Lautsprecher um einen friedlichen Ablauf bat, und Ordner, die sich deeskalierend zwischen die Teilnehmenden und die Polizeiketten stellten, waren zwar wirkungslos, deuten aber ebenfalls auf Widersprüche im Bündnis hin. Pro NRW distanzierte sich am Montag zumindest offiziell von der Gewalt auf der Demonstration und verlautbarte, »jeder seriöse Islamkritiker« habe sich »gestern nur noch fremdschämen« können. Jürgen Elsässer hingegen wünschte sich auf seinem Blog ein Mitglied der Hogesa als Redner auf der »Friedensmahnwache« am 9. November vor dem Bundeskanzleramt.

Von den Hogesa gab es darauf bislang weder eine Zu- noch eine Absage. Dafür stößt eine Ankündigung für eine Hogesa-Demonstration in Hamburg am 15. November im Internet auf große Resonanz. Auch wenn die Zukunft der Gruppe nach der Eskalation noch ungewiss ist – die Behörden dürften ihr das Abhalten weiterer Demonstrationen deutlich erschweren –, geht sie zunächst gestärkt aus der Demonstration hervor. Ihr gelang eine Machtdemonstration, die beispielsweise die beteiligten Neonazis in einer solchen Form seit Jahren nicht mehr bewerkstelligen konnten.