Talmi

Awareness

Die gute Sache verdient, dass man für sie streitet, und kaum eine Sache ist besser als der Kampf gegen Aids, den auch das Gesundheitsministerium führt – mit wachsendem Willen zum Unfug. Wo’s einst lustige Stileben mit Kondomen gab, sind die jüngsten Kampagnen, mit rätselhaften Sprüchen wie »Ich will’s ehrlich« und bedröppelt blickenden Niemandsgesichtern, Spektakel der Peinlichkeit. Der neueste Streich: Testimonials von Angehörigen und Kollegen, die einem Infizierten maximale Inklusion angedeihen lassen – und der Sache schon rein optisch einen Bärendienst erweisen. »Ich habe Aids. Und das Vertrauen meines Trainingspartners«, sagt ein frühgreiser Schlacks und schaut dabei samt Partner so fiebrig, müde und brachial klischee­schwul aus der Trainingswäsche, dass er spontan Mitleid erregt. Statt Normalität zu zeigen, wird die Infektion indirekt als optisch erkennbar behauptet – und als Bedrohung: Der HIV-Kranke gerät zur biologischen Waffe, die mit größter Vorsicht gewartet werden muss. Denn was genau gibt’s da zu vertrauen? Was soll beim Training schon passieren? Wird er ohne Vorwarnung Fontänen von Blut verschießen? Wird er seinen Trainingspartner beim Zweierbob versehentlich penetrieren? Noch dazu wird der Kranke in die Pflicht genommen, sein Leiden öffentlich zu bekennen – als wäre es für den Einzelnen nicht schwer genug, mit dem Virus zurechtzukommen, wird er noch in ein gesellschaftliches Befreiungsprojekt gezwungen: »Ich habe HIV, bitte behandeln Sie mich so gönnerhaft und von oben herab, wie Sie das auch mit Behinderten tun.« Noch mehr Mystifikation, noch mehr Gerüchte über die Krankheit, noch mehr Quatsch und Gemeinheit sind die logischen Folgen. Dass für die gute Sache geworben werden muss, macht sie schon schlechter.