Niemand braucht den Spießerpark

Weg mit der Blümchenidylle!

Ein Vorschlag gegen Mietsteigerung, Verdrängung und allzu hippe Nachbarn.

Es ist noch nicht soooo lange her, da wäre ein eingezäunter Park mit festen Öffnungszeiten, Videoüberwachung und patroullierender Security, die unter anderem darauf achtet, dass niemand sich kurz vor Sonnenuntergang etwa noch eine Wurst auf den Grill legt, als provinziell-abscheuliche, definitiv unbesuchbare Spießerlocation durchgegangen. Aber hey, dies ist das neue schicke Berlin, und deswegen heißt so ein Ort nun nicht nur »Tempelhofer Freiheit« statt »riesiger Platz mit Metallgittern drum herum und Einlass-Drehkreuzen an exakt zehn Stellen und ganz vielen Vorschriften«, sondern gilt auch als extremst hip. Warum, ist unklar, denn so richtig unterscheidet sich das, was die Besucher des Geländes dort tun, nicht von dem, was ihre Kollegen ein paar Meter weiter im Volkspark Hasenheide machen: Man spaziert halt herum, radelt, joggt, skatet auf betonierten Wegen vor sich hin, grillt auf der Wiese Würste, liegt auf Decken und liest, lässt Drachen steigen, erklärt dem Nachwuchs Pflanzen und Tiere (in der Hasenheide wurden ein kleiner Streichelzoo plus ein See, in dem unter anderem Frösche und Enten wohnen, angelegt). Auch wenn besonders der relativ frisch zugezogene Berliner sich gern anstellt, als wäre er gerade in den Betonmoloch Metropolis umgesiedelt, und seinem staunenden Besuch beim Abendessen im Restaurant mit Vorliebe sehr laut erzählt, wie krass doch dieses Leben in so einer richtigen City ist: Für eine Großstadt gibt es verdammt viele Parks und naturbelassene Flächen – und zu wenige Wohnungen, jedenfalls in den angesagten Bezirken.

Dass nun ausgerechnet diejenigen, die sich qua Besserverdienerei kaum Sorgen über Gentrifizierung, Mietsteigerung und Verdrängung machen müssen, jedes Mal, wenn geplante Neubauten in ihrer Nähe die Blümchenidylle zu stören drohen, mit Bürgerinitativen und Menschenketten um jeden einzelnen Baum und damit gegen jede einzelne neue Wohnung kämpfen, ist nun nicht eben neu. Gegen die Teilbebauung des Tempelhofer Feldes sind aber auch viele Kreuzberger und Neuköllner, die, falls sie ihre bisherigen Wohnungen verlören, kaum mehr eine Chance hätten, in ihren Kiezen für sie bezahlbaren Wohnraum zu finden. Warum nun ausgerechnet neue Häuser auf dem ehemaligen Flughafen-Gelände die ohnehin auch in dieser Gegend längst eingetretene Gentrifizierung beschleunigen sollen – damit wird in Gegner-Kreisen gern argumentiert –, bleibt jedoch unklar. Irgendwo müssen die ganzen Leute, die so furchtbar gern in den angesagten Bezirken wohnen wollen, schließlich hin, und wenn sie in einen Neubau ziehen, können sie wenigstens anderen Leuten die Wohnung nicht wegnehmen. Denn, machen wir uns nichts vor: In neue Wohnungen in Marzahn-Hellersdorf oder Spandau werden sie nicht einziehen, nein, es muss schon eine hippe Gegend sein, vorzugsweise eine mit vielen schicken Kneipen, über denen man wohnen kann, um dann sofort nach dem Einzug regelmäßig die Polizei zu rufen, weil es so furchtbar laut ist. Öh, das ist jetzt aber ein ganz anderes Thema? Oh nein.

Denn vielleicht ist der Bebauungsplan nur ein ganz raffinierter Plan von Klaus Wowereit, der leider bislang nur noch nicht so richtig gezündet hat. Unattraktive Städte werden schließlich erfahrungsgemäß nicht gentrifiziert. Auf dem optisch ödesten Platz Berlins jede Menge langweiliger Häuser zu bauen, um dort langweilige Menschen anzusiedeln, die dann den ganzen Tag in der Tempelhofer Freiheit herumhängen und vollkommen unansehnliche Sachen machen wie auf ihre Notebooks zu gucken, könnte die internationale Aufmerksamkeit darauf lenken, wie furchtbar bieder diese deutsche Hauptstadt doch in Wirklichkeit ist, woraufhin dann die ganzen hippen Leute woanders hinziehen und wir unsere Ruhe haben. Wenn dann alle weg sind, reißen wir den ganzen Quatsch nicht etwa wieder ab und bauen richtig coole Sachen auf das Tempelhofer Flugfeld, nein. Obwohl: Natürlich wird dann dort echt cooles Zeug entstehen. Ein großer Badesee mit Sandstrand, zum Beispiel, ein Berg, den man wahlweise hochklettern oder mit lustigen bunten Sesselliften erreichen kann, eine begehbare Carrerabahn, riesige Walderdbeerfelder, eine kleine Kneipen-Stadt, in der man sich mit Mini-Helikoptern fortbewegt, und und und. Aber, ganz wichtig: Natürlich unterirdisch, damit dem schönen neuen Langweiler-Image nix passiert. Ganz schön clever, wa?