Berlin Beatet Bestes. Folge 207

Fahr nicht mit der Bundesbahn

Berlin Beatet Bestes. Folge 207. Karl Gross: Gute Fahrt in eine sichere Zukunft (1969).

Ich hasse Bahnfahren. Nicht weil die Bahn unpünktlich ist oder gar nicht fährt, sondern weil Bahnfahren heute einfach keinen Spaß mehr macht. Früher konnte man die Fenster öffnen und frische Luft reinlassen, im Abteil die Füße hochlegen und natürlich irgendwo rauchen. Das war noch Komfort. Heute sind die Züge zwar viel schneller, aber was nützt mir das Tempo, wenn dafür dauernd irgendjemand im Großraumabteil vor meiner Nase rumlatscht, krakeelt und ich nicht genug Luft bekomme. Sicher, in anderen Ländern müssen Reisende auf dem Dach mitfahren, aber das ist wenigstens umsonst. In Deutschland kostet das bescheidene Vergnügen hingegen ein Heidengeld, vor allem wenn man nur selten mit der Bahn fährt und deshalb keine Bahncard besitzt. Sollte der Zug darüber hinaus auch noch überfüllt sein, vielleicht sogar mit Hooligans oder besoffenen Bundeswehrsoldaten, geht der gefühlte Wert der Reise gegen null. Nein, da fliege ich lieber gleich. Oder fahre kurze Strecken mit dem Bus, wie zum Beispiel von Hamburg nach Berlin. Das ist billiger und unkomplizierter. Ist mir egal, ob das die Umwelt belastet, denn die Umwelt in der Bahn belastet mich.
Zwei Platten, die das Thema Bahnfahren illustrieren, möchte ich vorstellen. Zuerst eine nur einseitig bespielte Werbe-Flexi der Bundesbahn aus dem Jahr 1966. Da war die Welt der Bahn tatsächlich noch in Ordnung und so swingt der Song fröhlich vor sich hin:
Du schläfst wie im Himmel die ganze Nacht/Kaffee wird dir morgens ans Bett gebracht/Im Nu kommst du da, wo du hin willst, an/Drum denk daran:/ Fahr lieber mit der Bundesbahn.
»Im Nu« ist natürlich ein relativer Begriff. Entschleunigung ist heute immer noch nicht angesagt. Aber: »Kaffee morgens ans Bett«! Das ist tatsächlich schon eine Ewigkeit her! Die andere Werbeplatte schlägt Ende der sechziger Jahre schon ganz andere, problematischere Töne an:
Wie war’s doch bei uns vordem/auf den Straßen so bequem./Als PS noch ganz und gar/ein Begriff für Pferde war./Doch die Zeit ist längst vergangen./ Riesenlange Autoschlangen stellen uns vor unbequeme/schwierige Verkehrsprobleme./(…)/Uns’re Autobahnen sind/Lebers ärgstes Sorgenkind/weil zu viel Verkehr, ganz sacht/sie zur Bundeskriechspur macht.
Diese Single sollte den sogenannten Leber-Plan popularisieren. Georg Leber (SPD) war von 1966 bis 1972 Bundesverkehrsminister, zuerst in der Großen Koalition und später in der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt. Just zu der Zeit, als er ins Amt kam, muss es wohl zu den ersten richtig langen Staus auf deutschen Autobahnen gekommen sein, denn bereits 1967 stellte er seinen Plan vor, den Güterverkehr überwiegend auf die Schienen zu verlegen. Leider wurde er offensichtlich nicht umgesetzt. Staus gehören immer noch zum Alltag. Lastwagen schleichen immer noch über die Straßen. Und zum Bahn-Fan werde ich wohl auch nicht mehr.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.