Berlin Beatet Bestes. Folge 205

Sag mir, wo die geilen Cover sind

Berlin Beatet Bestes. Folge 205. Parquet Courts: Light Up Gold (2012/13).

Was ist bloß los mit den Grafikern heute? Oder wer sonst ist schuld daran, dass alle Plattencover im Indieplattenladen gleich aussehen. Alle völlig langweilig! Stapelweise finden sich auf den Alben unscharfe Fotos und miniaturisierte, unleserliche Typographie. Die Cover wirken, als hätten sie Angst davor, bemerkt zu werden. Zu feige für ein Bandfoto oder eine Zeichnung oder irgendetwas Konkretes, verschwinden die Cover im Nebel der Beliebigkeit. Beim Durchkämmen der Plattenreihen entsteht ein gräulicher Schleier. Woher kommt dieser Mauerblümchen-Trend? Woher kommt diese Angst? Ist es die typische Neurose der gebildeten Mittelschicht, für die sich festzulegen immer schon bedeutete, unflexibel zu werden für die unvorhersehbaren Entwicklungen der Gesellschaft und des Arbeitsmarkts? Indieplattenläden und Biomärkte sind heute Horte der Mittelschicht. Da sind die Technoplatten noch die ehrlicheren: Die melden graphisch wenigstens gleich Bankrott an und halten ihre Platten genauso bildlos und minimal wie ihre Musik.
Im Punkplattenladen sieht es zum Glück anders aus. Zwar dominieren auch hier die immer gleichen Schriften und computergenerierten Bilder die Grafik, aber einige Single-Cover zeigen nach wie vor primitive Zeichnungen und wilde, handgemachten Collagen. Man hat keine Angst, falsch zu liegen oder greifbar zu werden. Und warum auch? Wer nach 1979 noch Punk war, hatte sowieso keine Angst vor dem Klischee. Darin steckt eine gewisse Freiheit: Keine Angst zu haben, von anderen in eine Schublade gesteckt zu werden. Bist du erst mal drin, interessiert es dich nicht mehr, was andere von dir halten. Was soll’s, wenn Cover nur aus genretypischen Stilmerkmalen zusammengesetzt sind? Am Ende zählt sowieso nur das geile Bild, das anmacht. Hauptsache, es ist nicht langweilig.
Das Cover der LP »Light Up Gold« der Parquet Courts aus Brooklyn bedient sich ebenfalls typischer DIY-Merkmale. Es gibt handgeschriebene und teilweise wieder durchgestrichene Titel, eine kleine Zeichnung und ein Bild aus einer alten Zeitschrift. Ein absichtlich fast beiläufiger, amateurhafter Entwurf also, kombiniert mit einem sehr zielgerichteten, professionellen Blickfang. Die Hauptarbeit hat dabei bereits der Fotograf geleistet, als er bewusst versuchte, ein aufregendes Ereignis festzuhalten. Der Cowboy ist dennoch etwas irreführend, wahrscheinlich eine Metapher für irgendwas, aber graphisch gut umgesetzt. Metaphorisch geht es bei Parquet Courts nämlich sowohl textlich als auch musikalisch zu. Melancholisch, klug und poetisch vielleicht noch, irgendwo zwischen Post-Punk und Gitarrenrock, jedenfalls machen sie unheimlich schöne Songs. Der Single-Hit »Borrowed Time« ist übrigens auch auf dem Album enthalten. Am 6. September sind Parquet Courts auf dem Berlin-Festival auf dem Flughafen Tempelhof zu sehen.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.