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Reiten, Schwimmen, Lesen – die Trias bekloppter Hobbies, mit der Kinder in Kleinanzegen der Yps früher um Brieffreunde warben, zeigt die Richtung, in welche die aktuelle Imagewerbung des deutschen Buchhandels (»Vorsicht Buch!«) zielt: Lesen als Sport, Füllmaterial für die Leerstellen im Tagesplan. Unter dem Motto »Es verändert dein Leben« will die Branche das Medium Buch um seiner selbst willen anpreisen und zahlt viel Geld für Kinospots, in denen bei völliger Dunkelheit eine bedrohliche Männerstimme einen Krimi liest. Abgesehen davon, dass damit eher das Medium Hörspiel seine Überlegenheit beweist, ist »Lesen« für sich genommen genauso banal wie Atmen oder Popeln. Sagt einer, er lese »furchtbar viel, praktisch alles«, weiß man, dass er vieles, aber nix Gescheites konsumiert. Wie jene, die »jede Art von Musik lieben«. Kenntlich wird damit die lebenslange Unfähigkeit, Geschmack zu entwickeln – wobei die Leseratten sich vor den Vielhörern noch durch Dünkel auszeichnen, da sie insgeheim ihr seriell-stupides Thriller-Geschmöker immer schon als Ausweis höherer Geisteskräfte bewertet wissen wollen. Dass die Kampagne ins Schwarze trifft, beweisen Tausende Facebook-Fans, die auf der Website der Kampagne Antworten etwa auf die Frage »Mit welcher Romanfigur würdet ihr gern für einen Tag tauschen?« liefern, sich gegenseitig »Tintenherz«, Donna Leon und fade Mittelstufenliteratur empfehlen und sich über Informationen wie »25,6 Prozent der Deutschen lesen gerne im Freibad« freuen. »Unser Tipp für ein erfolgreiches Date: Bücher lesen! Denn 70,1 Prozent der Deutschen finden, dass sich Menschen, die Bücher lesen, besser mit anderen unterhalten können.« Mein Tipp dagegen: Prätentiöse Bücherfreunde mit Karacho von der Bettkante schubsen.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.