RB Leipzig steigt in die 3. Liga auf

Dem Fußball wachsen Flügel

RB Leipzig steigt in den Profifußball auf und spielt nun in der 3. Liga – zum Ärger vieler Fans, die den Verein als »Retortenclub« ­beschimpfen.

Für einen kurzen Moment, ein paar Minuten nur, sah es am Sonntag so aus, als würde es eine Sensation geben. Dennis Schmidt hatte in der 4. Minute der Nachspielzeit im Rückspiel der Aufstiegsrunde zur 3. Liga das 2:0 für die Sportfreunde Lotte erzielt. Damit war das 2:0 von Rasenballsport (RB) Leipzig im Hinspiel ausgeglichen, und das Match ging in die Verlängerung. Am Ende jedoch stand es 2:2, und die Leipziger waren aufgestiegen, während die Gastgeber auch in der kommenden Saison in der Regionalliga West antreten müssen.
Nach dem Schlusspfiff gab es kein Halten mehr bei den rund 3 200 mitgereisten Anhängern des Aufsteigers. Rasenballsport Leipzig, der deutsche Ableger des Fußballimperiums des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull, ist zwar erfolgreich, beliebt ist der Verein jedoch bei den meisten deutschen Fans jedoch nicht. Viele hatten in diesen Tagen mit den Sportfreunden Lotte sympathisiert und gehofft, dass sie den »Retortenverein«, das »Konstrukt« RB Leipzig stoppen und verhindern könnten, dass der Club in die 3. Liga und womöglich sogar noch weiter aufsteige. Wenn es nach ihnen ginge, sollte der Verein am besten gleich ganz verschwinden. Fans von Rot-Weiß Erfurt, Lokomotive Leipzig und dem Halleschen FC hatten sogar dazu aufgerufen, die Sportfreunde Lotte aktiv im Stadion zu unterstützen. Tatsächlich waren beim Hinspiel rund 1 000 Menschen von verschiedenen Vereinen aus Ost und West diesem Aufruf gefolgt, fielen dort jedoch weniger durch gelungenen Support der Gäste aus dem Westen als vielmehr durch beleidigende Gesänge und einen versuchten Blocksturm auf. Beim Rückspiel in Lotte waren dann zwar weit weniger Fans da, die Angereisten fielen aber auch dort wieder durch Pöbeleien und Gewaltbereitschaft auf.
Die Kritiker von RB Leipzig werfen dem Verein vor, er habe keine Tradition und erkaufe sich den Erfolg mit den Milliarden des Red-Bull-Konzerns. Besonders laut wird diese Kritik von Seiten der Fans selbsternannter Traditionsvereine aus dem Osten der Republik geäußert. Das ist nur logisch, denn immerhin haben diese regelmäßig mit RB Leipzig zu tun. Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch durchaus die Frage, warum gerade Fans von Clubs wie Carl Zeiss Jena, Lokomotive Leipzig oder dem 1. FC Magdeburg unbedingt wollten, dass der Verein gegen Lotte verliert. Schließlich hätten sie dann nicht nur auch im nächsten Jahr wieder gegen die verhassten Leipziger spielen müssen, das Team hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wieder den ersten Platz gemacht und den anderen Vereinen die Chance zum Aufstieg verbaut, da nur die Erstplatzierten der Regionalligen an den Aufstiegsspielen teilnehmen dürfen. Der Aufstieg von RB Leipzig ist im Grunde in ihrem eigenem Interesse. Die Fans der Drittligisten aus Halle oder Chemnitz wiederum sollten sich fragen, ob sie in der kommenden Saison wirklich lieber in Lotte würden spielen wollen, wo sich in dieser Saison durchschnittlich magere 839 Zuschauern einfanden, oder im nahen Leipziger Zentralstadion, wo bereits in der Regionalliga im Durchschnitt 7 500 Menschen die Spiele von RB Leipzig verfolgten und beim Hinspiel gegen Lotte sogar mehr als 30 000 Zuschauer erschienen.
Überhaupt entspricht der Verein aus dem westfälischen 14 000-Einwohner-Nest Lotte, der seit Anfang 2012 rund 20 neue Spieler geholt und etwa ebenso viele »alte« aussortiert hat, wohl ebenso wenig den Vorstellungen von einem Traditionsverein wie der RB Leipzig. Das scheint den meisten Fans jedoch gleichgültig zu sein, denn der Verein aus der Messestadt ist für sie längst zum Inbegriff der Kommerzialisierung des modernen Fußballs geworden. Merkwürdig ist auch, dass gerade Anhänger von Lokomotive Leipzig zu denen gehören, die am lautesten gegen RB Leipzig stänkern. Natürlich lässt sich kritisieren, dass der Verein 2009 das Oberliga-Startrecht des Leipziger Vorortvereins SSV Markranstädt übernommen hat und somit in der vierthöchsten Spielklasse den geplanten Marsch an die Spitze beginnen konnte. Es wirkt jedoch ein wenig unpassend, wenn gerade Lok-Anhänger sich darüber echauffieren, da ihr Club 2005 mit dem SSV 52 Torgau fusionierte – mit dem Ziel, direkt von der elfhöchsten in die siebthöchste Spielklasse aufsteigen zu können. Das könne man nicht vergleichen, heißt es aus der dortigen Fanszene, wie immer, wenn etwas nicht ins Selbstbild des hart arbeitenden Traditionsvereins passt.
Nicht nur in Leipzig scheinen sich vor allem die Anhänger nicht mehr höherklassiger Traditionsvereine schwer damit zu tun, einzusehen, dass ein großer Name nicht vor sportlichem Misserfolg schützt. Natürlich können einem die noch immer zahlreichen Fans von Vereinen wie Waldhof Mannheim oder Rot-Weiß Essen leid tun: Wer sich an bessere Zeiten erinnern kann, den muss der triste Alltag in den unteren Ligen wirklich frustrieren. Aus der Tradition jedoch ein Recht auf einen Platz in höheren Spielklassen abzuleiten, ist unsinnig. Zum einen gibt es weit mehr Vereine mit großer Vergangenheit, als es Startplätze in den oberen drei Ligen gibt, zum anderen ist der Profifußball einfach ein Markt, und Märkten sind Traditionen ziemlich egal. Im Grunde wurde auch fast alles, was heute gegen den RB Leipzig vorgebracht wird, leicht abgeändert schon oft als ebenso fragwürdige wie verkürzte Kritik an der TSG Hoffenheim, dem VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen vorgebracht. Dass ein Gutteil der Kritik aus dem rechten Flügel der Fanszene kommt – wofür auch das Shirt eines Fans mit der Aufschrift »Todesstrafe für Kinderschänder« im Block der Sportfreunde Lotte in Leipzig spricht –, passt ins Bild. Noch ist RB Leipzig aber weit davon entfernt, die nächste TSG Hoffenheim zu werden. Der Verein wird erst noch zeigen müssen, dass er der 3. Liga auch wirklich gewachsen ist. Die Auftritte gegen Lotte und vor allem das üble Gehacke im Rückspiel hätten eine Liga höher jedenfalls nur schwerlich für den Klassenerhalt gereicht. Zudem verlässt mit Stefan Kutschke, der zum VfL Wolfsburg in die Bundesliga wechselt, einer der besten Spieler den Verein. Ob die Fans dem Verein auch bei einem Versagen in der 3. Liga die Treue halten würden, darf zumindest bezweifelt werden. Immerhin ist Erfolg Teil des Markenkerns des Produkts RB Leipzig, so wie es bei anderen die Tradition ist. Fußball funktioniert nach den Regeln des Marktes. Dass einige das nicht verstehen wollen, ist nicht das Problem des RB Leipzig.