Lächeln ist keine Strategie

Der Andrang vor dem »Hebbel am Ufer« in Berlin-Kreuzberg ist groß, aus der Ferne scheppert der Sound des Karnevals der Kulturen. Viele Frauen und eine überschaubare Anzahl Männer hoffen auf Einlass, obwohl an der Kasse ein »Ausverkauft«-Schild prangt. Sie sind am Montagabend gekommen, um auf Einladung des Missy Magazine über Sexismus zu reden. Ein »Pre-Butler-Term«, wie Angela McRobbie, Kulturwissenschaftlerin am Londoner Goldsmith-College, feststellt. McRobbie, die bei der Veranstaltung die Keynote spricht, hat eine Erklärung dafür, dass das Bedürfnis, über Sexismus zu diskutieren, neu erwacht ist und auch junge Frauen plötzlich wieder das »F-Wort« aussprechen, schließlich gebe es Anzeichen für einen feministischen Frühling: Slutwalks, die weltweite Kampagne »One billion rising« gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, die Sozialproteste in Spanien und Italien, in Deutschland sorgten das sexistische Verhalten des FDP-Politikers Rainer Brüderle gegenüber einer Journalistin für einen Aufschrei. Vor einigen Jahren sah das anders aus, der Tenor lautete, Feminismus sei überflüssig, man sei doch längst gleichberechtigt. Das Klischee von der Humorlosigkeit der Feministinnen erlebte eine Renaissance, im Zeitalter der Postironie war das die Höchststrafe. McRobbie macht für diese Diskreditierung eine Allianz aus Sozialdemokratie und Popkultur verantwortlich. Während Tony Blairs »New Labour« und Gerhard Schröders Suche nach der »neuen Mitte« wurden Gewerkschaftspolitik, Feminismus und Antirassismus marginalisiert. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, kostenlose Kinderbetreuung, bei »Sex and the City« war das kein Thema. Es entwickelte sich ein Karrierefeminismus für die weiße Mittelschicht, wie ihn Facebook-Managerin Sheryl Sandberg in ihrem Bestseller »Lean in« propagiert. Ihr Tipp: Lächeln, lächeln, lächeln. Irony is over: Nach Lächeln war weder den Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion noch dem Publikum zumute.