Die Heimholung der deutschen Goldreserven

Goldfinger in Frankfurt

Mit der Rückführung eines Teils ihrer Goldreserven sichert sich die Bundesbank gegen alle Eventualitäten der Euro-Krise ab.

Der beliebteste James-Bond-Film ist bis heute »Goldfinger«. 1964 erschienen, nahm er die fast ein Jahrzehnt später erfolgte Auflösung des auf dem Goldstandard des US-Dollars beruhenden Bretton-Woods-Systems voraus. Der vom Gold besessene Auric Goldfinger versucht in dem Film, die in Fort Knox lagernden Goldreserven der USA atomar zu verseuchen und damit – neben der Aufwertung der eigenen Bestände – die Welt ins Chaos zu stürzen. Dass der Bösewicht vom Deutschen Gert Fröbe gespielt wurde, war mit Sicherheit Zufall. Allerdings hat kein Land in der Folge des Zweiten Weltkrieges einen so großen Goldschatz angehäuft wie die Bundesrepublik – die Besessenheit zumindest schien real.

Anfang diesen Jahres hat die Bundesrepublik damit begonnen, ihre verstreut lagernden Goldreserven heim in die Tresore der Bundesbank zu holen. Rund 3 400 Tonnen Gold befinden sich im Besitz der Bundesbank. Damit ist sie nach den USA der weltweit zweitgrößte Eigner des Edelmetalls. Dass ein Land, das 1945 praktisch über keine Goldreserven verfügte, sich eine so große Menge Gold aneignen konnte, lag an der Stabilität der deutschen Exportwirtschaft und am offensichtlichen Misstrauen gegenüber der Nachkriegswährung. Im Gespräch mit Deutschlandradio sagte Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands der Bundesbank, über die wirtschaftspolitischen Grundlagen dieser Anhäufung: »Deutschland exportierte mehr als es importierte, erzielte Leistungsbilanzüberschüsse. Und diese Leistungsbilanzüberschüsse wurden in Dollar verrechnet und konnten dann über die Verrechnung in Dollar auch in Gold erfolgen. Und damals haben die Gründungsväter der Bundesbank entschieden, diese Leistungsbilanzüberschüsse nehmen wir in Gold, lagern sie ein.« Vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren kam offensichtlich einiges zusammen.
Aus Angst vor einer sowjetischen Intervention, aber auch wegen der hohen Transportkosten verblieben die Bestände in den USA, Großbritannien und Frankreich. So lagerten in den Frankfurter Tresoren 1999 lediglich 77 Tonnen Gold. Erst als die Briten zur Jahrtausendwende die Gebühren für die Lagerung erhöhten, wurden erstmalig über 900 Tonnen aus London nach Deutschland gebracht. Nun möchte die Bundesbank, wie im Januar bekannt wurde, dass bis 2020 etwa 50 Prozent der Reserven in Deutschland gelagert sein sollen. Im Oktober hatte die Bundesbank erstmals veröffentlicht, wo sich ihre Bestände befinden. Ihren Angaben zufolge liegen etwa 45 Prozent in den Tresoren der US-Notenbank Fed in New York, 13 Prozent in denen der Bank of England und elf Prozent bei der Banque de France in Paris. Letztere sollen vollständig zurückgeführt, die Menge in den USA um fast zehn Prozent reduziert werden. »Die Deutsche Bundesbank hat sich entschlossen, eine ausgewogenere Verteilung der Goldbestände im In- und Ausland anzustreben und damit der vertrauenssichernden Funktion des Goldes stärker Rechnung getragen«, sagte Thiele bei einer Pressekonferenz.

Der Entscheidung vorausgegangen war der oft geäußerte Zweifel, ob das Gold überhaupt noch in vollem Umfang vorhanden sei, mit dem sich der Bundestagsabgeordnete Peter Danckert (SPD), verschiedene CSU-Politiker um Peter Gauweiler und allen voran der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, öffentlich hervortaten. Anfang 2012 hatte der Bundesrechnungshof aufgrund solcher Interventionen in einem 21seitigen Gutachten gefordert, »die bei ausländischen Notenbanken verwahrten Goldbestände in regelmäßigen Zeitabständen mittels geeigneter Stichproben körperlich aufzunehmen«. Obwohl bisher alle dieser an den drei Standorten vorgenommenen Stichproben einwandfrei die Existenz und Qualität der Reserven festgestellt haben, bezieht sich die Bundesbank bei ihrer Entscheidung auch auf diese Vorgabe. Die »Vertrauensbildung im Inland« vor dem Hintergrund der herrschenden Paranoia einiger Verschwörungstheoretiker wurde von Thiele explizit bei der Begründung für die Entscheidung zur Rückführung der Goldreserven angeführt.
Wichtiger scheint die erstmals anvisierte Nutzbarmachung der Edelmetallreserven angesichts der Krise des Euro zu sein. »Gerade in den letzten Jahren sind Dinge vorstellbar geworden, die vorher nicht vorstellbar waren. Und insofern sehen wir das als eine Risikoreserve, von der wir hoffen und alles daran setzen, sie nie gebrauchen zu müssen. Aber wenn es einmal Probleme gibt, verfügen wir eben über Reserven, die es uns auch ermöglichen, Waren, die wir als Importland für Energie zum Beispiel benötigen, dann eben auch mit Gold zum Beispiel bezahlen zu können«, sagte Thiele im Deutschlandradio. Die Reserven im Notfall kurzfristig verfügbar zu machen, scheint sich die Bundesbank nur selbst zuzutrauen.
Bereits seit einigen Jahren wird zumindest ein teilweiser Verkauf der Goldreserven gefordert, um Schulden abzubauen oder zumindest nicht zu erhöhen. Erstmals machte 1997 der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) den Vorschlag, durch einen Rückgriff auf die Goldreserven die Rentenkassen zu stabilisieren, um damit die Beitragszahler – damals ging es vor allem um die Entlastung des Unternehmerbeitrags – nicht zusätzlich belasten zu müssen. Zuletzt plädierte Gustav Horn, der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, dafür, einen Teil der Goldbestände zu verkaufen, um die Erträge für Ausgaben zu nutzen, »die die Konjunktur stimulieren, ohne die Staatsverschuldung zu erhöhen«. Dies sei insbesondere in Zeiten der sogenannten Schuldenbremse von Bedeutung. Unterstützt werden solche Forderungen auch durch den Preisverfall des Goldes. Derzeit kostet eine Feinunze noch knapp 1 070 Euro, während der Preis im Herbst vorigen Jahres noch bei fast 1 400 Euro lag. Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef beim weltgrößten Fondsanbieters Pimco, warnte im Gespräch mit der Zeit: »Wenn es eine Blase gibt, dann beim Gold.«

Solange Jens Weidmann Präsident der Bundesbank ist, wird es zu Verkäufen im großen Stil nicht kommen. Im Oktober vorigen Jahres hatte er in einer Rede mit dem Titel »Money Creation and Responsibility« Gold als einziges zeitloses Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel bezeichnet und weitere Goldankäufe empfohlen. Im April bekräftigte er seine Haltung nochmals. »Die Erhaltung des Euro-Raumes ist nicht EZB-Sache«, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. Anstelle weiterer Ankäufe von »Staatsanleihen mit schlechter Bonität« empfahl er die Stabilisierung und eine Ausdehnung der Goldreserven.
Gänzlich erschüttert ist der Glaube an den Euro, immerhin ein wichtiges Element von Deutschlands Exportmodell, allerdings noch nicht. »Die Auflösung des Lagerortes Paris trägt den seit Einführung des Euro geänderten Rahmenbedingungen Rechnung. Da Frankreich ebenso wie Deutschland den Euro als Währung hat, ist die Bundesbank am Finanzplatz Paris nicht mehr darauf angewiesen, dort bei Bedarf Gold gegen eine internationale Reservewährung zu tauschen«, hieß es in der Pressenotiz der Bundesbank zur Umlagerung der Reserven. Sollte das System aber immer instabiler werden, könnte Weidmann das Gold im eigenen Tresor den Aufbau einer neuen Währung erleichtern und Goldfingers Vision eines Chaos, in dem lediglich die eigenen Goldreserven Sicherheit versprechen, Wirklichkeit werden lassen.