Die Debatte um die umstrittene Rockband Frei.Wild

Frei, wild und irgendwie dagegen

Erst wurde die italienische Band Frei.Wild für den deutschen Musikpreis Echo als »beste Gruppe national« nominiert, dann wurde sie wieder ausgeladen. Die anschließende Debatte geht oft am Thema vorbei.

Irgendwann inmitten dieser ebenso amüsanten wie belanglosen kulturindustriellen Posse hatte der Mob im Internet sich verlaufen. Weil die Rockband Frei.Wild zunächst für den Musikpreis Echo nominiert, dann aber wieder ausgeladen worden war, krakeelten deren aufgebrachte Fans auf der Facebook-Seite der Sängerin M.I.A. gegen die »Heuchler und Trittbrettfahrer«, die dafür verantwortlich seien, dass ihre Lieblingsband jetzt doch nicht beim Echo willkommen ist. Entgangen war den Verfechtern der »ehrlichen, deutschen Rockmusik« jedoch, dass sie in ihrem Eifer die Britin M.I.A. mit der Berliner Gruppe Mia verwechselt hatten. Diese war nämlich das eigentliche Ziel des Shitstorms, weil sie aus Kritik an der umstrittenen Band aus Südtirol wie zuvor schon die Band Kraftklub die eigene Echo-Nominierung abgelehnt hatte. Als auch die ebenfalls nominierten Die Ärzte Abstand genommen hatten, intervenierte der Veranstalter und lud Frei.Wild wieder aus. Man wolle die Echo-Verleihung nicht zum Schauplatz einer Debatte über die politische Gesinnung der Band machen.

Die Armseligkeit der deutschen Musiklandschaft wird durch dieses inhaltsleere Verständnis von politischem Diskurs und Popmusik ebenso illustriert wie durch die Band Frei.Wild selbst, die sich kaum größere öffentliche aufmerksamkeit hätte wünschen können. Frei.Wild befriedigen das unstillbare Bedürfnis nach genau jener Art heimattümelndem Deutschrock, mit dem es schon den Böhsen Onkelz gelang, ihren Schriftzug auf den Heckscheiben unzähliger VW Polos zu platzieren. Mit ihrem ebenso aggressiven wie sentimentalen Pathos und ihrer simplen Musik gelten sie als heißer Kandidat für deren Nachfolge.
Als musikgewordene Verkörperung von Bierseligkeit avancierte die Band dann auch rasch zum stadionfüllenden Massenphänomen. Das Geseier von Ehre und Stolz, der maskulistische Jungmännergestus und die forcierten Tabubrüche bieten den Fans ein insbesondere für die Provinz attraktives Identitätsangebot. Ein beliebtes Motiv in den Texten von Frei.Wild ist das Feindbild des »synchronisierten Ja-Sagers«, der ohne Rückgrat und Moral mit der Masse schwimme und ein »geknechtetes Leben« führe. Ihm wird der aufrechte Einzelkämpfer entgegengesetzt, der sich gegen die »Volldioten« zur Wehr setze und die »Dinge beim Namen nennt«.

Zentral für Frei.Wild ist auch die Liebe zur Heimat. In krypto-völkischen Oden verbreiten sie dabei eine eigentümliche Mischung aus Patriotismus, Heimatgefühl und separatistischer Volksbefreiung. Man sieht sich als Vertreter einer bedrohten deutschen Minderheit in Südtirol und als legitimer Verfechter natürlicher Heimatverbundenheit. »Selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen / Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen / Wenn ihr euch ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen«, heißt es im Lied »Wahre Werte«. Ohne den Erhalt von »Sprache, Brauchtum und Glaube« gehe das Volk unter. In die Nähe völkischen Denkens möchten Frei.Wild, die sich selbst als Patrioten bezeichnen, jedoch nicht gerückt werden. Gern betont die Band ihre antiextremistische Einstellung, auf der Website prangt ein Banner gegen »Rassismus und Extremismus«. In einem Lied heißt es: »Wir sind keine Neonazis, sind keine Anarchisten«, man möge weder Hitler und Mussolini noch Marx und Engels. »Extremistisches Gedankengut und Handeln« hält die Band für »ideologie-unabhängig« und trifft damit einen Zeitgeist, der sich aus diffusen Ablehnungsgefühlen heraus unpolitisch wähnt. Selbst die rechtsextreme Vergangenheit des Sängers Philipp Burger, der als Jugendlicher in der Naziband »Die Kaiserjäger« spielte, wird von der Gruppe im Sinne einer vollzogenen Katharsis gedeutet, die dem Bild der »ehrlichen Jungs« sogar zuträglich sein soll.
Dass in der Presse immer wieder darauf verwiesen wird, wie anschlussfähig ihre Aussagen an rechte Kreise sind, wird von Frei.Wild lediglich als weiteres Indiz für eine mediale Hetzjagd verbucht. Auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite sammelt die Band Presseartikel und unterteilt sie in die Rubriken »Wahrheit zählt« und »Schlagzeile zählt«. Die Band und ihre Fans sehen sich als Opfer der »Political Correctness« der »Gutmenschen und Moralapostel«, die »bestimmen, was gut, was böse ist«, wie es in dem gleichnamigen Lied heißt. So reproduziert die Band in ihren Texten die verbreiteten Ansichten der Anti-»Political Correctness«-Bewegung gegen den verordneten »Gesinnungsterror« des sogenannten politisch korrekten Mainstreams. Nach außen, singen sie, seien dessen Protagonisten »Saubermänner«, in Wirklichkeit aber »die größten Kokser«, »die zu Kinderstrichern gehen«. Ohnehin gehe es nur darum, »Geschichte, die noch Kohle bringt, ja nicht ruhen zu lassen«. Es scheint Kalkül zu sein, dass die Band sich oft nur vage ausdrückt. Häufig belässt sie es bei Andeutungen wie diesen: »Tabus blieben Tabus / Gewisse Themen waren verboten«, die dennoch arg nach Geschichtsrevisionismus klingen.

Wenn jedoch viele Medien in aufklärerischem Eifer meinen, dass sich hier echte Nazis hinter Rockmusik und Jugendkultur verstecken, dann liegen sie falsch. Frei.Wild sind keine Nazis, sondern stehen für eine weitverbreitete antiemanzipatorische Entwicklung, die in diffuser Angst vor der kosmopolitischen Gesellschaft ihren Ausdruck findet. »Frei« meint dabei nichts als die kleinbürgerliche Freiheit des Tabubruchs, nach der Maxime »man wird ja wohl noch sagen dürfen«. »Wild« hingegen meint nichts als das getunte Auto, die triste Versoffenheit und die sexistischen Mackersprüche des autoritären Mobs, der gegen das Establishment wettert.