»Zu diffus und populistisch für eine Nischenzeitung«

Der Verleger Jakob Augstein will neun von 40 Stellen in Verlag und Redaktion des Freitag abbauen. Ingo Arend, der von 1996 bis 2010 in der Kulturredaktion der Zeitung arbeitete und von 2007 bis 2009 Redaktionsleiter und Kulturchef war, über die Gründe für den Niedergang des Blattes.

Fast ein Viertel der Belegschaft des Freitag soll entlassen werden. Wie bewerten Sie das?
Das ist eine traurige Nachricht. Vor allem für die Betroffenen. Es wird aber auch an die Substanz des Blattes gehen. Niemanden, der unabhängige Publizistik schätzt, kann das freuen.
Jakob Augstein sagte, er baue Personal ab, um zu verhindern, dass der Freitag das »Schicksal der FR und der FTD erleiden« müsse. War nicht ausgerechnet bei der FR der Personalabbau für den Niedergang des Blattes verantwortlich?
Personalabbau muss nicht zwangsläufig zum Niedergang führen. Aber ob mit der neuerlichen Sparrunde die verlegerischen Fehlentscheidungen der ersten Stunde korrigiert werden können, da habe ich so meine Zweifel. Und wo soll unter diesen Vorzeichen die Kraft für einen neuen Anlauf herkommen?
Der Freitag wirbt damit, ein kritisches, linksliberales »Meinungsmedium« zu sein. Man hat aber den Eindruck, unter Augsteins Herausgeberschaft sei das politische Profil des Blatts aufgeweicht worden. Was ist Ihre Einschätzung?
Mit der Bezeichnung »Meinungsmedium« habe ich mich nie anfreunden können. Es ist so billig, irgendeine Meinung zu haben. Aber es ist schon kurios: Seit seiner Übernahme des Blattes hat der Talkmaster und Kolumnist Augstein eine scharfe Linkswende vollzogen, zumindest rhetorisch. Im gleichen Maß ist das Profil seines eigenen Blattes verblasst: zu wenig fokussiert, flatterhaft in den Interessen, diffuse Grundhaltung, unangemessen populistisch für die Nischenzeitung, die der Freitag ja geblieben ist. Womöglich ist diese Entwicklung dafür verantwortlich, dass das Blatt zu langsam wächst, wie Augstein sagt.
Sie waren jahrelang Kulturredakteur des Freitag und sind zur Taz gewechselt. Wie kam es dazu?
Eine bestimmte Art zu denken, zu arbeiten und sich zu artikulieren, war zu einer bestimmten Zeit des Freitag-Relaunches unter Augstein nicht mehr gefragt. Ich habe mich gefreut, dass das bei der Taz anders war. Sie ist ein lebendiger, kritiklustiger Organismus. Und hat den Vorteil, nicht derart von dem Willen eines Einzelnen abhängig zu sein.