Konflikt um das Öl im geteilten Sudan

Kein Sieg im Ölkrieg

Die Regierungen des geteilten Sudan streiten über die Gebühren für den Öltransport. Beide Staaten sind von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft abhängig.

Es soll kein Tropfen Öl mehr in den Norden fließen. Die Regierung des Südsudan hat die im Land tätigen Firmen aufgerufen, die Ölförderung zu stoppen. Nichts soll mehr in die einzige, in den Sudan führende Pipeline eingespeist werden. Im Sudan befinden sich auch die Raffinieren zur Weiterverarbeitung des Öls, die im Südsudan fehlen. Außerdem liegt mit der Hafenstadt Port Sudan auch das Tor zum internationalen Markt im Norden. Doch dieses Tor bleibt vorerst verschlossen. Der Förderstopp folgt einem monatelangen Streit zwischen den Regierungen des Sudan und des Südsudan. Die Uno warnte, es könne zu einem neuen Krieg kommen.
Ein 2005 geschlossenes Friedensabkommen beendete nach 22 Jahren den Bürgerkrieg, seit sieben Monaten ist der Südsudan unabhängig. Das sudanesische Regime verlor mit der Sezession fast alle Ölquellen, kann jedoch die Abhängigkeit des Südens von den Tranportwegen ausnutzen. Der südsudanesische Präsident Salva Kiir Mayardit hat den Sudan beschuldigt, Öl aus den Pipelines abzuzweigen, zu »stehlen«, wie er es formulierte. Pro Tag sollen es 12 000 Barrel gewesen sein, drei Viertel der transportierten Menge.
Der Generalsekretär des im Südsudan herrschenden Sudan’s People Liberation Movement (SPLM) stimmt Kiir zu: Der Sudan habe keine Berechtigung, Öl aus dem Süden zu beschlagnahmen. Der sudanesische Militärherrscher Omar al-Bashir ließ hingegen verkünden, das abgezweigte Öl ersetze die Transportgebühren, die der Süden zu zahlen versäumt habe. Man nehme sich nur das, was dem Land zustehe.
Es folgten Streitigkeiten, die die diplomatischen Beziehungen weiter belasteten. Die südsudanesische Regierung verwies auf umliegende Länder wie Eritrea oder Äthiopien. Von diesen kassiere der Sudan für den Transport eines Barrel Öl nur einen US-Dollar, vom Südsudan verlange er das Dreißigfache. Berechnungen von Ökonomen zufolge hat der Sudan Öl im Wert von 850 Millionen US-Dollar abgezweigt. Bei der Abspaltung des Südens hatten die beiden Regierungen keinen Vertrag über die Exporte geschlossen.

Gestritten wird auch über die zum Teil ölreichen »transnational areas«, deren Zugehörigkeit ungeklärt ist: die Stadt Abyei sowie die Regionen Südkordofan und Blue Nile. Der Sudan hat zwar eine Abstimmung über die Zugehörigkeit angekündigt, diese fand aber bislang nicht statt. Die Gebiete werden vom Sudan verwaltet, doch leben hier größtenteils Bevölkerungsgruppen, deren Angehörige sich meist dem Südsudan zugehörig fühlen. Rebellen aus den Nuba-Bergen etwa haben jahrelang für einen unabhängigen Süden gekämpft. Doch würde der Norden diese Regionen aufgeben, müsste das Regime auf ölreiches Land verzichten.
Im Mai 2011 marschierten deshalb sudanesische Truppen in Abyei ein und besetzten die Stadt, Plünderungen und Brandschatzungen folgten, etwa 10 000 Menschen flüchteten vor der Gewalt. Die SPLM, die sich damals im Übergang von einer Guerillagruppe zu einer Regierungpartei befand, sandte Soldaten nach Abyei. Der Südsudan wirft al-Bashir, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag wegen Völkermords und Kriegsverbrechen in der westsudanesischen Provinz Darfur vorliegt, »ethnische Säuberungen« vor. Nachdem der UN-Sicherheitsrat aktiv geworden war und eine Friedens­truppe von 1 700 äthiopischen Soldaten nach Abyei entsandt hatte, entspannte sich die Lage. Von Normalität ist die Stadt aber noch weit entfernt.

Die Integration der zurückkehrenden Flücht­linge ist nur eines der vielen Probleme, die das nation building im Südsudan erschweren. Immer noch grassiert die Korruption, die fehlende Infrastruktur erschwert das Leben außerhalb der Hauptstadt Juba. In ländlichen Gebieten gab es bei Konflikten zwischen Stammesmilizen im Januar über 3 000 Tote. Die SPLM besitzt zudem ein Machtmonopol, das keine gleichberechtigte Opposition zulässt. Pressefreiheit und Menschenrechte spielen eine untergeordnete Rolle. Im November hatte ein Journalist der Tageszeitung Destiny Präsident Kiir kritisiert, nachdem dessen Tochter einen Äthiopier geheiratet hatte. Sowohl der Journalist als auch der Herausgeber wurden verhaftet, sie sitzen noch immer im Gefängnis. Trotz der fragwürdigen Kritik des Journalisten ist dies ein Angriff auf die Pressefreiheit. Der South Sudan’s Union of Journalists zufolge hat es in diesem Jahr bereits elf Attacken auf Journalisten gegeben. Vom südsudanesischen Innenminister Alison Manani Magaya kam der Ratschlag: »Was immer ihr schreibt, denkt erst an den Südsudan, überlegt, ob es für mich als Person, den Staat oder die Person, über die ich schreibe, Folgen hat.«
Trotz der Repression machen die Medien ­sowohl im Rundfunk- als auch im Printbereich große Fortschritte. Mehrere Firmen wurden gegründet, die Regierung wirbt im Ausland um Investoren. Der Wille zum nation building ist spürbar, doch die Probleme sind gewaltig, und nur der Ölexport, der derzeit 98 Prozent der Staatseinnahmen ausmacht, ermöglicht der Regierung die Finanzierung von Entwicklungsprojekten. Ein Geschäft mit Kenia könnte die Abhängigkeit des Südsudan vom Norden mindern. Eine zweite Pipeline soll bereits im nächsten Jahr gebaut werden. Nach Einschätzung von Experten würde der Bau allerdings mindestens drei Jahre dauern und vier Milliarden Dollar kosten.
Ende Januar trafen sich Kiir und Bashir in Äthiopien, um über die Zukunft der Ölwirtschaft zu diskutieren. Zu einer Einigung kam es nicht. Unklar ist, wie lange sich die beiden Staaten den Streit noch leisten können. Vor allem China, der Hauptabnehmer des Öls, drängt auf die Beilegung des Konflikts. Der Sudan hat angeboten, einen Teil des beschlagnahmten Öls zurückzugeben, doch Kiir bleibt hartnäckig. Die Verhandlungen sollen am 10. Februar fortgesetzt werden.