Zarter Geist

Dass die Welt geisterhafter Erscheinungen für uns Menschen sichtbar und unsichtbar zugleich sei, meint der New Yorker Sänger und Pianist Antony Hegarty. Seine hochsensible Selbst- und Weltwahrnehmung bescherte uns in Verbindung mit seinem sehnsuchtsvoll flatternden, androgynen Falsett in den vergangenen Jahren einige Momente melancholischer Glückseligkeit. Hat sich dieser ziemlich originelle Künstler auf seinem vierten Album also der Twilight Zone zugewandt? Wundern würde es einen nicht.
Er hat, denn tatsächlich erzählt »Swanlights« von der irrlichternden Durchsichtigkeit gerade erloschener Seelen. Andererseits handelt das Album von der Poesie des Schneeflockenflugs inmitten der vom Klimawandel bedrohten Welt der Arktis. Nüchterne Fakten werden kurzgeschlossen mit einer Poetologie des Zarten, welche, typisch für Hegarty, auch esoterische Züge trägt. Macht ja nichts.
Das musikalische Niveau von »Swanlights« ist hoch, na klar. Arrangements von Nico Muhly, einem Spezialisten für zeitgenössische klassische Musik und Hegartys Hauskomponisten, formulieren eine durch und durch kluge, emotional fordernde Kunstsprache mit Hang zur dramatischen Überhöhung. Und doch verfangen die meisten Songs selten sofort, und manche zünden gar nicht. Das mag daran liegen, dass Hegarty hier selten auf schmeichelnde Popkleinode setzt. Etwas kantig, mitunter unberechenbar wirken die kammermusikalischen Experimente und Exkurse zur Neuen Musik. Ein Problem vor allem für den popsozialisierten Hörer? Denkbar.

Antony And The Johnsons: »Swanlights« (Rough Trade/Beggars Group/Indigo)