Wie die Regierung Vermieter besserstellt

Da weint der Vermieter

Als ob massenhaft Mieter, den Wohnungsbestand des Landes verwüstend, von einer Bleibe zur nächsten zögen, müssen »Mietnomaden« als Vorwand für eine Gesetzesänderung herhalten.

Es ändert sich doch etwas unter der neuen Regierung. Im Koalitionsvertrag versprechen CDU/CSU und FDP, gegen »Mietnomadentum« vorzugehen, die Kündigungsfristen von Mietern und Vermietern anzugleichen und Mietminderungen bei energetischen Sanierungen unmöglich zu machen. Auch soll sichergestellt werden, dass die Miete von den Beziehern von Transferleistungen tatsächlich beim Vermieter ankommt – das heißt die Ämter sollen direkt an die Vermieter überweisen. Als die Große Koalition 2005 die Regierungsgeschäfte übernahm, hatte Angela Merkel dem Deutschen Mieterbund (DMB) noch gesagt, dass sie keinen Grund sehe, das geltende Mietrecht zu ändern. Immerhin trage es »den unterschiedlichen Interessen Rechnung« und habe »zu einem besseren Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern beigetragen«.

»Uralt-Forderungen der Vermieterverbände werden aufgegriffen«, kritisierte der Präsident des DMB, Franz-Georg Rips, den neuen Koalitionsvertrag, der eindeutig die Handschrift der FDP trage. Und das gilt vor allem für den Kampf der Eigentümer gegen so genannte Mietnomaden. Das seien »Personen, die ohne Miete zu zahlen und unter Ausnutzung des sozialen Mietrechts in rascher Folge von einer Mietwohnung in die nächste ziehen und diese vielfach in einem verwahrlosten Zustand hinterlassen«, heißt es auf der Home­page von Mechthild Dyckmans, der ehemaligen Sprecherin für Justizpolitik der FDP-Bundestagsfraktion. »Viele Mietnomaden verschleiern zusätzlich ihre Identität und täuschen wirtschaftlich geordnete Verhältnisse vor.«
Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen fand noch drastischere Worte: »Mietnomaden sind die wahren Heuschrecken der Mietwohnungsmärkte. Sie stürzen sich auf arglose Vermieter, ziehen von Wohnung zu Wohnung, zahlen keine Miete und verwüsten das Eigentum der Vermieter«, hieß es in einer älteren Pressemitteilung. Auch einschlägige Fernsehdokumentationen vermitteln den Eindruck, dreiste »Mietnomaden« ließen massenhaft verzweifelte Vermieter mit verschimmelten Wohnungen im Stich.

Doch so klar umrissen ist das Phänomen überhaupt nicht. »Das Spektrum reicht von Mietern, die mit krimineller Energie von Wohnung zu Wohnung ziehen mit dem Vorsatz, die Miete nicht zu bezahlen, bis hin zu Mietern, die nach dem Auszug für den Vermieter nicht mehr erreichbar sind«, antwortete die schwarz-rote Bundesregierung in der vorigen Legislaturperiode auf eine Anfrage der FDP zu dem Thema. Vor allem aber stellte sie klar, dass kein Handlungsbedarf bestehe, da es sich um eine Randerscheinung han­dele. 98 bis 99 Prozent aller Mietverhältnisse verliefen »störungsfrei«.
10 000 bis 15 000 »Mietnomaden« gebe es in Deutschland, sagt Alexander Wiech, Sprecher der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus&Grund, die einen durchschnittlichen Schaden von 25 000 bis 300 00 Euro anrichteten. Diese groben Schätzungen beruhten auf den Erfahrungen der Ortsvereine. Zu der nicht gezahlten Miete kämen Anwalts- und Gerichtskosten sowie die Kosten für die »Wiederherstellung« der Wohnung.
Dagegen schätzt der Deutsche Mietgerichtstag die Zahl der »Mietnomaden« lediglich auf 1 000. Und gar so hilflos, wie häufig dargestellt, ist ein Vermieter ohnehin nicht. Bleiben zwei Monatsmieten aus, kann er fristlos kündigen. Bevor er überhaupt jemanden in seine Wohnung lässt, darf er sich eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung und einen Gehaltsnachweis vorlegen lassen, eine Schufa-Auskunft einholen sowie im Voraus eine Kaution verlangen. Das sei nicht genug, kritisierte die FDP spitzfindig. Denn aus einer vorgelegten Gehaltsbescheinigung lasse sich nämlich nur die Zahlungsfähigkeit, nicht aber die Zahlungsbereitschaft ableiten.

Werden die rechtlichen Grundlagen noch zugunsten der Vermieter verändert, könnte das »schnell auch Menschen betreffen, die ohne Vorsatz oder Verschulden in Mietrückstände geraten sind oder aus anderen Gründen gekündigt wurden. Beschleunigung bedeutet, dass weniger Zeit für die Abwendung der Räumung oder die Suche nach Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Dies kann sehr schnell zu erhöhter Wohnungs- und Obdachlosigkeit führen«, sagt Knut Unger vom Mieterinnenverein Witten. Die Frage sei also, ob »Mietnomaden« als Vorwand für weitere Verschärfungen herhalten müssen. Der Hamburger Mieterverein warnte schon 2005: »Die aktuelle Pressediskussion über angebliche Mietnomaden unter den Mietern führt bei Vermietern vermehrt dazu, dass sie schon bei kleinen Rückständen ›Rot‹ sehen.«
Viele Vermieter nehmen die Angelegenheit derweil selbst in die Hand. »Im Internet fanden wir eine Firma, die uns kostenlos beraten hatte und anschließend das Problem löste. Ein kleiner Kostenbeitrag, aber mit Erfolg«, schreibt Vermieter Boby im Forum bei mietnomaden.net. Einer Umfrage von immobilienscout24.de zufolge greife jeder zehnte Vermieter, der Ärger mit Mietern ha­be, zur Selbstjustiz. »Die Vermieter räumen die Wohnung ohne Gerichtsbeschluss, tauschen das Schloss aus, stellen Strom und Wasser ab oder drohen den zahlungsunwilligen Mietern.« Für den »üblichen Rechtsweg mit außerordentlicher Kündigung und Räumungsklage« entschieden sich nur 58 Prozent der betroffenen Vermieter.