»Leihbeamte« in den Bundesbehörden

Wie ein Schüleraustausch

Ist das noch Leih- oder schon Lobbyarbeit? Vertreter privater Firmen und Organisa­tionen waren und sind in Ministerien im Einsatz.

Was macht ein Mitarbeiter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), wenn er sich, bezahlt von seinem Arbeitgeber, drei Monate lang im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit dem Wettbewerbsrecht beschäftigt? Sammelt er dort »zusätzliche Berufserfahrung« durch »Einblicke in Prozesse und Strukturen« der staatlichen Behörden, wie das Innenministerium das Ziel des Einsatzes formuliert? Oder versucht er, die Interessen des BDI zu vertreten?

Dass 58 Personen aus Wissenschaft, gemeinnützi­gen Einrichtungen und Wirtschaft in diesem Jahr in Bundesbehörden im Einsatz waren oder noch sind, steht im »Ersten Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung« des Innenministeriums. In einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs aus dem vergangenen Jahr war noch von 106 »Leihbeamten« die Rede, die zum Teil über mehrere Jahre und sogar in »Führungsfunktionen« in Ministerien arbeiteten. »Erhöhte Risiken für Interessenkonflikte« hätten bestanden.
Eine Verwaltungsvorschrift, die nach öffent­licher Kritik und dem Bericht des Bundesrechnungshofs im Juli in Kraft getreten ist, soll solche Arbeitseinsätze »einheitlich und verbindlich« regeln. »Der Einsatz externer Personen soll so gestaltet werden, dass bereits der Anschein ­einer unzulässigen Einflussnahme auf die Verwaltung, die allein dem Gemeinwohl verpflichtet ist, vermieden wird«, schreibt das Innenministerium.

Auf einer Konferenz des Netzwerks Recherche zum Thema »Lobbyismus« Mitte September in Berlin sagte der frühere Personalvorstand der Deutschen Bank, Tessen von Heydebreck, dass etwa das Programm »Seitenwechsel«, welches er 2004 mit dem damaligen Innenminister Otto Schily auf den Weg gebracht hatte, »nichts mit Lobbyarbeit zu tun« habe. Es habe »zu deutlich mehr Offenheit und zum Abbau von Vorurteilen« zwischen der Privatwirtschaft und der öffent­lichen Verwaltung geführt.
Wie offen die Behörden zu den Vertretern von Audi, Bayer, BASF, Siemens, SAP, Daimler-Chrysler, Lufthansa, der Deutschen Bank und anderen waren, referierte der Journalist Sascha Adamek mit Bezug auf den Bericht des Bundesrechnungs­hofs. »Leihbeamte« hätten mehrheitlich an »Vorlagen für Topbeamte« mitgearbeitet, bisweilen die Bundesregierung in Verhandlungen und auf Veranstaltungen vertreten, etwa ein Fünftel von ihnen habe Gesetze und Verordnungen mitformu­liert. Sogar die Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt kritisierte, dass das Austauschprogramm »harmlos wie ein Schüleraustausch« daherkomme.