Köhler und die »P-Frage«

Köhler, Köhler, ja, ja, ja!

Nur noch 365mal schlafen bis zur Wahl des Bundespräsidenten.

Man hat sich das wohl ungefähr so vorzustellen: Bereits beim Frühstück wird unser Bundespräsident von Journalisten umlagert. Sie hängen an seinen Lippen, die Aufnahmegeräte sind eingeschaltet, die Kameras laufen. Horst Köhler sagt Sätze wie: »Gibst du mir bitte die Butter, Schatz?« Die Journalisten notieren das eifrig und grübeln, wie sie daraus eine Geschichte machen können. Mit leeren Händen dürfen sie auf keinen Fall in ihre Redaktionen zurückkehren. Es ist wie damals, als Horst Köhler noch »Horst wer?« war, aber Bundespräsident werden sollte. Da lobt Köhler unverhofft seine Ehefrau Eva, wie besonnen sie mit Geld umgehe und dass sie, was die Familienkasse betreffe, »ihre Sache gut macht«. Das ist die Nachricht, das geht in den Druck!
Den ganzen Tag über weichen die Reporter nicht von Köhlers Seite. Minütlich, stündlich, täglich kann es fallen, das Ja, auf das alle warten. Köhler sagt häufig im Laufe von 24 Stunden »ja«, bloß nicht zur P-Frage. Zum Beispiel sagt er »ja« zu erneuerbaren Energien, aber er sagt »nein« zur »Energielücke«, deshalb »ja« zu längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke, und doch wieder »nein« zur Atomkraft prinzipiell, denn »die ungelösten Endlagerprobleme sind mir viel zu gegenwärtig, als dass ich dazu raten würde«. Das ist unser Bundespräsident, der jetzige und vielleicht auch der zukünftige! Das ist unbequem! Das muss die Nation wissen, das geht in den Druck!
Der Tag geht dem Ende zu, Köhler hat sich immer noch nicht dazu geäußert, ob er für eine zweite Amtszeit als Präsident zur Verfügung steht. Er geht zu Bett. Auf seinem Nachttisch stapeln sich die Aufnahmegeräte. Sie zeichnen jedes Grunzen auf, das seinem Mund entweicht. Das Staatsoberhaupt träumt unruhig. »Banken« und »Monster« und »IWF« und »bändigen« sind die einzigen deutlichen Worte, welche die Bänder bei Sonnenaufgang wiedergeben. Das ist heißer Stoff! Das ist knallharte Kapitalismuskritik aus der Mitte der Gesellschaft, das geht in den Druck!
Von links bis rechts stimmen alle zu, außer ­Josef Ackermann, dem Monster-Manager. Und Zustimmung braucht Horst Köhler in diesen Tagen. Bürger, Politiker und Parteien sollen ihn jetzt schon wählen und sich im Chor dafür aussprechen, dass er wieder zur Wahl antritt. Alle zusammen, eindrücklich und laut.
Ja, ja, ja, alle finden Köhler prima. Die Zeitungen haben ihre Resümees längst gedruckt. In den einen steht drin, dass der Präsident sich »einmische«, weil er ab und an »Reformen« fordere. In den anderen steht drin, dass ihn alle mögen, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gibt. Sei­ne Reden »machen blubb und versinken«, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Die Deutschen wollen Köhler trotzdem als Präsidenten. Zumindest zwei Drittel von ihnen. Auch die CDU und die CSU und die FDP wollen ihn, klar. Und die SPD will ihn auch ein bisschen, denn sie regiert mit in der Großen Koalition, doch sie will auch etwas Eigenes, denn sie ist ja immer noch die SPD. Gesine Schwan ist schon einmal so schön Zweite geworden, und sie ist eine Frau!
Alle sind darauf vorbereitet, dass Köhler »ja« sagt, und auf nichts anderes. Er soll das bitte ganz schnell tun. Sonst wird noch die Geschichte mit der Butter gedruckt. Oder die mit den Kindern in Afrika. Oder die mit den Pantoffeln.