Afrika unter Kontrolle

Projekthilfe gut, Budgethilfe schlecht – so klang es in der Kritik des Bundesrechnungshofs an der Mittelvergabe des BMZ. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. von martina backes

Ein Fall für den Bund der Steuerzahler? Der Bundesrechnungshof mahnte vorige Woche, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umgehe mit der Vergabe von Budgethilfen die parlamentarische Kontrolle über die Verwendung des Geldes. Seit das BMZ im Jahr 2001 begann, einen Teil der Entwicklungs­hilfe direkt in die Kassen subsaharischer Staaten einzuzahlen, wird darüber gestritten. Zuletzt hatte es im November 2007 eine Anhörung im Entwicklungsausschuss des Bundestages über »Chancen, Risiken und Perspektiven von Budgethilfe in der Entwicklungszusammenarbeit« ge­geben.

Diese Form der finanziellen Hilfe ist nicht an konkrete Projekte gebunden, sondern die Mittel werden von den betreffenden Ländern eigenmäch­tig verwaltet. Das, so die Idee, spare Transaktions­kosten, verringere den Verwaltungsaufwand und fördere die Eigenverantwortlichkeit. 400 Millionen Euro Budgethilfe will das BMZ in diesem Jahr leisten. Bisher haben Benin, Burkina Faso, Ghana, Malawi, Mali, Namibia, Niger, Madagaskar, Mo­sambik, Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda davon profitiert.

Im Grunde ist die Budgethilfe nicht zuletzt das Resultat der Kritik an der alten Konzeption von Entwicklungspolitik. Mit der Förderung von Projekten hatte das BMZ Parallelstrukturen in den entsprechenden Ländern – und damit ihre Abhängigkeit – gefördert. Die Geldvergabe war ineffizient, und dem proklamierten Ziel der Armutsbekämpfung kam man nicht wirklich näher.

Die neue Vergabepolitik klingt dagegen ziemlich partizipativ: In einem »offenen Dialog« berate man sich »partnerschaftlich« über künftige »Reformkurse«. »Ideologische Vorgaben für das Regierungshandeln – etwa eine vorgeschriebene Privatisierungs­politik – gibt es nicht. Reformen sollen unterstützt, nicht erzwungen werden«, informiert das BMZ.

Die nun geäußerte Kritik und die Bedenken der FDP klingen geradezu so, als ob das BMZ keinerlei Bedingungen mehr an die Vergabe von Geld stellen würde. Der Eindruck täuscht, die Liste der zu erfüllenden Voraussetzungen ist lang: Ein makroökonomisches Reformprogramm muss vereinbart und eine Strategie zur Bekämpfung der Armut muss vorgelegt werden, die Verwendung der Finanzen muss transparent gemacht und der Fortschritt anhand von »Leis­tungs­indik­to­ren« gemessen werden. Langfristig haben die Länder nachzuweisen, dass der Fiskus seine Einnahmen steigert.

Besonders häufig fällt der Begriff der »guten Re­­gierungsführung«. Auf die Förderung der Struk­­turen der good governance legt Deutschland nach Angaben des BMZ großen Wert. Die von der Weltbank im Jahr 1989 festgestellte »Governance-Krise« in Afrika solle mit der Förderung von »po­li­ti­schen Rahmenbedingungen für eine erfolg­reiche soziale, ökologische und marktwirtschaftliche Entwicklung« überwunden werden. Im Kontext von good governance ist stets von Korruptionsbekämp­fung, von Rechtsstaatlichkeit sowie vom Schutz der Menschenrechte die Rede. Doch wird nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. In Burkina Faso, Niger und Sambia sitzen deutsche Berater der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Finanzministerium, in Ghana gestalten ihrer gleich drei die Steuerpolitik, in Tansania un­terstützt die GTZ die Haushaltserstellung. Die Liste staatlicher Beraterfunktionen deutscher Ent­wicklungsexperten ist lang. Insofern gibt es durch­aus eine Form der indirekten Kontrolle.

Die Weltbank vergibt mittlerweile 19 Prozent ihrer Mittel als Budgethilfe, die EU-Kommission beabsichtigt, 30 Prozent der insgesamt 13,8 Milliarden Euro aus dem Europäischen Entwicklungs­fonds auf diese Weise auszuzahlen. Ein großer Teil der Budgethilfen fließt in Länderfonds, das heißt, mehrere Länder unterstützen gemeinsam in Absprache das »Reformprogramm« eines Part­nerlandes. Wer keine Budgethilfe leistet, kann auch nicht mitreden.

So erhalten Tansania und Mosambik Budgethilfen von zahlreichen nationalen und interna­­tionalen Gebern. Deutschland nahm 2006 in dem Ranking der Sponsoren in Tansania Platz neun von 14 und in Mosambik Platz sechs von 17 ein – entsprechend ist das Mitspracherecht bei den Verhandlungen und in den Kon­troll­gremien gewichtet. Da Deutschland zudem die Budgethilfe der Europäischen Kommission im Rahmen seiner Kapitalanteile und die der Weltbank im Rahmen seiner Beteiligung am Afrikanischen Entwicklungs­fonds mitfinanziert, dürfte sein politischer Einfluss nicht unwesentlich sein. Aus der Perspektive der »Partnerländer« haben sich die gelobten Prinzipien des »partnerschaftlichen Dialogs« in Anbetracht der Übermacht der Geber eher ins Gegenteil verkehrt. Je mehr Hilfe ein Land erhält, desto größer der Einfluss von außen, das war schon immer so.

Entwickelt werden mit den Gemeinschaftsfonds nicht etwa eigenverantwortliche Demokratien. Vielmehr wächst dadurch die Macht der Entwick­lungsagenturen. Wie in einem internationalen »Quasiprotektorat«, das einst Paul Collier als Mit­arbeiter der Weltbank für zerfallende Staaten gefordert hat, können die Geber gemeinsam politische Kontrolle ausüben. Insofern klingt es ironisch, wenn bei der Anhörung im Bundestag vorigen November von der Gefahr die Rede war, einen bürokratischen Zentralismus zu finanzieren. Budgethilfen könnten die Macht der jeweiligen Eliten sichern und die innere Demokratisierung der Länder behindern, warnte Peter Molt, Professor für Politikwissenschaft in Trier. Allerdings stehe bei den Gebern »hinter der Budgethilfe im Kern oft das Motiv, über eine solche Unterstützung fragile Nationen zu stabilisieren und eine politische wie fiskalische Kontrolle auszu­üben«.

Sicher ist Skepsis beim Blick auf die machtpoli­tischen Strukturen in den Empfängerländern auch berechtigt. So lässt sich kaum zurückverfolgen, ob der kenianische Staat mit den umfang­reichen Budgethilfen nicht etwa den Wahlbetrug im Dezember 2007 mitfinanzierte. In Mosambik gibt es Hinweise darauf, dass die Regierung damit insbesondere die eigenen Parteistrukturen stärkt. Insofern stimmt es, dass mit den Etathilfen die Korruption nicht aus der Welt ist. Das vom Rechnungshof vorgebrachte Argument der fehlenden parlamentarischen Kontrolle setzt jedoch am falschen Ort und beim falschen Kontrolleur an. Die Vergabekonditionen werden in Gesprächen zwischen den Regierungsbeamten ausgeknobelt und in aller Regel nicht von den Parlamenten der Empfängerländer kontrolliert. Nur in wenigen Staaten entwickeln NGO die geforderten Länderstrategien gegen Armut mit, eine Kontrolle über die Verwendung des Etats durch gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung ist kaum gewährleistet. Insofern kann von good governance keine Rede sein.

Darüber hinaus kann die von den Geberländern wie Deutschland so gerne beschworene »Zivilbevölkerung« mit den Etathilfen eher an Einfluss verlieren. Denn häufig werden Finanzbürokratien gestärkt, wovon wiederum insbesondere autokratische Systeme profitieren. Im Vergleich zu den ausländischen Experten in den Ministerien der Empfängerländer bleiben den NGO und selbst den Abgeordneten recht wenige Möglichkeiten der Partizipation. Während in den neunziger Jahren bevorzugt NGO gefördert wurden, wird inzwischen wieder oben verteilt.

Wenn der Bundesrechnungshof moniert, dass die begünstigten Länder »die Budgethilfemittel auch für andere als die vereinbarten übergeordneten Zwecke einsetzen, sie unwirtschaftlich verwenden oder nicht hinreichend über ihre Verwen­dung Rechenschaft ablegen« könnten, wie in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war, so mag das zutreffen. Das wäre aber auch bei der Vergabe von Geld an demokratische Systeme der Fall, wo das Parlament den Etat kontrollieren, sich bei der Weitergabe des Geldes am Bedarf der Armen orientieren und das Geld in die Bildung oder die Gesundheitsvorsorge statt in ministeriale Manage­mentinstrumente investieren würde.