Vom Hölzchen aufs Stöckchen

Der Berliner Antifa »Matti« hat keine Neonazis verprügelt, soll aber für den Besitz eines Teleskopschlagstocks zahlen. Im Prozess gegen ihn konnte man allerhand über die Arbeitsmethoden des LKA erfahren. von fabian kunow und john doe

Gute Laune bei der Berliner Antifa. Matthias Z., genannt »Matti«, wurde am Donnerstag voriger Woche vor dem Berliner Amtsgericht vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Der 22jährige Antifa, Gewerkschafter und Mitarbeiter einer Beratungsstelle für die Opfer rechter Gewalt, war vor etwa einem Jahr fest­genommen und für 101 Tage in Untersuchungshaft gesperrt worden. Er soll zusammen mit zwei Unbekannten im November 2006 die Rechts­extremisten Stefanie Piehl und Sebastian Zeh­lecke angegriffen und verletzt haben. Ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags wurde eingeleitet (Jungle World, 03/07).

Während des Prozesses wurde schnell deutlich, wie absurd der Vorwurf des versuchten Totschlags war. Die beiden Angegriffenen hatten lediglich einige Platzwunden erlitten, die ambulant im Krankenhaus behandelt wurden, und keiner der Zeugen bestätigte ihre Aussage, die Angreifer hätten gerufen: »Nazischweine, wir bringen euch um!« Nachdem die Tat vom versuchten Totschlag zur gefährlichen Körperverletzung herabgestuft worden war, blieb noch der ebenso fragwürdige Vorwurf der Beteiligung von Matthias Z.. Denn trotz der Befragung von Zeugen, einer Hausdurch­suchung, diversen Observationsmaßnahmen und einem Abgleich von DNA-Proben fand das LKA kein Indiz dafür. Es war ausschließlich die Aussage der zwei polizeibekannten Neonazis, die ihn für mehr als drei Monate in Untersuchungshaft gebracht hatte.

Gleich am ersten Prozesstag sagte ein Polizist aus, er habe gehört, wie die Neonazis im Kranken­haus, wo sie auf ihre Behandlung warteten, mit Kameraden beratschlagt hätten, wer wohl die Tä­ter gewesen sein könnten. Später tauchte Stefanie Piehl mit einem Foto von Matthias Z. aus der Anti-Antifa-Kartei beim polizeilichen Staatsschutz auf und behauptete, sie habe ihn trotz Vermummung als einen der Angreifer erkannt. Z.s Anwälte wiesen im Prozess darauf hin, dass der Berliner Neonazi und Fotograf Björn Wild zuvor schon einmal, mithilfe desselben Fotos, ihren Mandanten einer Straftat bezichtigt hatte. Wild gehörte wie auch Sebastian Zehlecke und Stefanie Piehl zum Umfeld der später verbotenen »Kameradschaft Tor«. Zehlecke kannte Z. bereits aus einem früheren Gerichtsverfahren, in dem er als Nebenkläger gegen den Neonazi aufgetreten war.

Die Anwälte Daniel Wölky und Björn Gerke enthüllten, dass der Staatsschutz dem Haftrichter und der Verteidigung entlastendes Material bewusst und willentlich vorenthalten habe. Da­rüber hinaus wertete ein Beamter die Aussagen Stefanie Piehls in der Vernehmung zu einem anderen Verfahren kurz zuvor, bei der sie ebenfalls ihr bekannte Linke belastet hatte, als unglaub­wür­dig, um ihr bei der belastenden Aussage gegen Matthias Z. plötzlich Glauben zu schenken.

Verteidiger Wölky wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass es eine Strategie der so genannten Anti-Antifa sei, die politischen Gegner schwerer Straftaten zu bezichtigen. Diese Tatsache dürfte auch dem Berliner LKA bekannt gewesen sein. Dennoch lässt man dort offenbar keine Gelegenheit aus, gegen Linksradikale zu ermitteln. Vielleicht erhofft man sich verwertbare »Zufallsfunde« bei Hausdurchsuchungen oder mitunter illegalen Abhöraktionen. In diesem Fall war es ein verbotener Teleskopschlagstock. Wegen des Besitzes dieses Gegenstands soll »Matti« eine Geldstrafe von 1 200 Euro zahlen. Der 22jährige, der wegen der langen Untersuchungshaft sein Abitur nicht beenden konnte, wäre, sollte das Urteil rechtskräftig werden, vorbestraft. Und die großzügige »Haftentschädigung« von elf Euro pro Tag, abzüglich je 4,50 Euro für die kulinarische Versorgung, wäre dahin.