Modell eines ­Aufsteigers

Christoph Blocher verkörpert den bürgerlichen Traum der bürgerlichen Gesellschaft. Er will demonstrieren, wie man alles verändert, ohne etwas zu verändern. kommentar von jean cremet

Das St. Galler Tagblatt lässt bereits heute das Prinzip Hoffnung walten. Bis 2011, so die Zeitung, sei mehr Transparenz über die Herkunft der Wahlkampfgelder zu schaffen, und im Jahr 2011 sei Christoph Blocher 71 Jahre alt. Ohne dass es klar ausgesprochen wird, scheint für das Blatt das einzige Mittel, den Spitzenmann der SVP aufzuhalten, dessen Alterungsprozess zu sein. Nun, bereits heute ist der schweizerische Wahlsieger 67 und denkt nicht daran, Schluss zu machen. Jean-Marie Le Pen in Frankreich hat doch gezeigt – und zeigt es noch immer –, dass Führernaturen bei sich selbst kein Verfallsdatum ausmachen können.

Eine andere Führerfigur, Heinz-Christian Strache von der österreichischen FPÖ, kommentierte das Abschneiden der SVP umgehend als »hervorragend« und forderte, dass Österreich sich in vielen Bereichen mehr an der Schweiz orientieren müsse, insbesondere bei der Frage der Asylgesetz­gebung und der direkten Demokratie. Le Pen, Strache, Blocher – Brüder im Geiste, Fleisch von einem Fleische? Die ideologischen Schnittmengen sind nicht zu übersehen.

Allerdings wäre Blocher nie so dämlich gewesen, sich wie Strache bei Wehrsportübungen fotografieren zu lassen oder wie Le Pen im eigenen Verlag NS-Militärmärsche zu publizieren. Seine Regelverletzungen sind dezenter. Wen stört es schon, außer der Parlamentspräsidentin, wenn er für eine abwesende Fraktionskollegin stimmt, wie am 19. März 1994? Als gezielte Regelverletzung ist auch das Wahlplakat zu betrachten, durch das die schwarzen Schafe ausgestoßen werden.

Ist Blocher wirklich, wie der Publizist Fredy Gsteiger titelt, ein »unschweizerisches Phänomen«? Oder ist er vielmehr ein urschweizerisches Phänomen? Die Frage dürfte eher sein, ob es sich um den aufhaltsamen Aufstieg des Christoph Blocher oder um den unaufhaltsamen handelt.

Der rassistische Appell Blochers an die kleinen Leute, das ist das eigentliche Phänomen, steht in keinem Widerspruch zu seiner Position als einem der reichsten Männer des Landes. Er ist ein Phänomen, das den Aufstieg aus den sprichwörtlichen kleinen Verhältnissen zum Milliardär geschafft hat. Er verkörpert nichts anderes als den bürgerlichen Traum der bürgerlichen Gesellschaft.

Seine Botschaft ist klar und einfach: Ich weiß, wie man nach oben kommt und dort bleibt. Vertraut mir! Er will demonstrieren, wie man alles verändert, ohne etwas zu verändern. Im Gegensatz zu Strache, Le Pen und den anderen Rechts­populisten klagt er die Gesellschaft nicht an, sondern verkündet, dass man sie nur konsequent auf die Spitze treiben muss, indem man den Staat im Inneren so stark wie möglich macht und ihn ökonomisch und außenpolitisch zu absoluter Enthaltsamkeit verpflichtet. Dieses Denken ist Konsens im bürgerlichen Lager der Schweiz. Warum sollten diejenigen Blocher nicht glauben, die bisher die anderen bürgerlichen Parteien gewählt haben?