Gelnhausen Rock City

Mitte der sechziger Jahre gründeten fünf US-Soldaten in Deutschland die erste Avantgardeband des Pop. Die ­Dokumentation »Monks – The Transatlantic Feedback« erzählt ihre Geschichte. von markus ströhlein

Man könnte durchaus pro­vo­kan­­te, ja lästerliche Fragen stellen: Warum drehen ein Regis­seur und eine Regisseurin eine Dokumentation über eine Band, die vor mehr als 40 Jahren eine Platte veröffentlicht hat? Warum sollte jemand einen Film über eine Kapelle sehen, die Mitte der sechziger Jahre durch Deutsch­­­land getingelt ist und sich dann aufgelöst hat?

Dietmar Post kennt diese Fragen. Er hat mit Lucia Palacios »Monks – The Transatlantic Feed­back« gedreht. Filmverleiher und Fernsehanstal­ten haben Post gefragt: »Mit welcher Berechtigung wird dieser Band, den Monks, eine Dokumentation gewidmet?« Aber der Regisseur hat eine treffende Antwort: »Man muss sich nur ›Black Monk Time‹ anhören.« Mehr muss man eigentlich auch nicht sagen. »Black Monk Time« ist die einzige Platte der Monks. Sie haben sie 1965 aufgenommen, 1966 kam sie in Deutschland heraus. 1967 zerbrach die Band.

Man kann die Beatles aus bestimmten Gründen gut finden. Man kann die Rolling Stones mö­­gen. Aber hört man »Black Monk Time«, muss man sagen: Die Beatles und die Rolling Stones waren langweilig. Und nicht nur das: Sie waren geradezu konservativ im Vergleich zu den Monks. Karl Remy und Walther Niemann, die Ma­nager der Band, bezeichneten die Platten der Stones und Beatles schon 1965 als Barockmusik für Omas.

Aus heutiger Sicht, nach Grindcore, Death Metal, Breakcore, Doom, Drone, Industrial und all dem anderen extremen Krach, relativiert sich natürlich die Härte, die in der Musik der Monks zu finden ist. Zu ihrer Zeit aber war die Band unerhört aggressiv und rau. Eddie Shaws Bass war verzerrt. Gary Burger spielte auf seiner Gitarre keine schönen Melodien, son­dern erzeugte befremdliche Feedbacks. Larry Clarks Orgel klang bisweilen so, als würde er sich einfach auf die Tasten fallen lassen. Der Schlagzeuger Roger Johnston strich alle über­flüssigen Schläge und verfiel in einen minimalistischen, repetitiven und hypnotischen Rhythmus. Dave Day unterstützte ihn, indem er im Takt manisch auf ein elektrisch verstärktes Banjo eindrosch.

Die Monks sangen auch. Aber vor allem sprachen und schrien sie ihre Texte. »She Loves You« oder »I Want to Hold Your Hand« hießen die Songs der Beatles. Die Monks nannten ihre Stücke »I Hate You« oder »Shut Up«. In »Complication« hört man die Zeilen: »People die for you. People kill for you.« Die Engländer trugen die bekannten Pilzfrisuren. Die fünf Monks rasierten sich Tonsuren, trugen schwarze Anzüge wie Wanderprediger und statt Krawatten legten sie sich Schlingen um den Hals. Ringo, Paul, John und George verströmten eine Aura, die sie später verdientermaßen auch zu Schwieger­mamas Lieblingen machte. Eddie, Gary, Larry, Roger und Dave wirkten wie eine ziemlich durch­gedrehte Gang.

Die Monks waren anders. Sie waren laut, bedrohlich, amüsant, zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie waren innerlich zerrissen, scheiterten völlig, waren ihrer Zeit aber voraus. Dem Zuschauer diese einzigartige Band nach 40 Jahren derart nahezubringen, ist das Verdienst des Films. Zu verdanken ist er der überaus langen Recherche, die Post und Palacios betrieben haben. 1997 erschien »Black Monk Time« zum ers­ten Mal auf Initiative von Henry Rollins und Rick Rubin in den USA. Die beiden Filmemacher hiel­ten sich zu dieser Zeit in Amerika auf. Post hatte die Platte schon Ende der Siebziger entdeckt und fand es schlicht falsch, dass sie in die Rubrik »Garagenrock« eingeordnet wurde.

»Wir fanden die Platte grandios. Das war am Anfang unser Antrieb. Sie hat sich so unterschie­den von allen anderen Sachen der Zeit, dass wir es lohnenswert fanden, genauer hinzusehen«, sagt Post. »Wir wollten aber auch das kulturelle Phänomen aufdecken: dass fünf junge Amerikaner nach Deutschland kommen, dort kleben bleiben, einfach als Musiker herumtingeln und dann nach dem Zusammentreffen mit den Managern in eine Kunstband umgestrickt werden«, führt der Regisseur weiter aus.

Die erstaunliche Geschichte zu erzählen, bleibt den Monks selbst vorbehalten. Palacios und Post haben die fünf Bandmitglieder ausfindig gemacht. Angenehm lakonisch blicken sie zurück auf ihre Biografien: Eddie, Gary, Larry, Roger und Dave waren als US-Soldaten in Deutsch­land stationiert. In die Armee waren sie aus Langeweile, Geldmangel und Abenteuerlust eingetreten. Nun fanden sie sich, etwa 20 Jahre alt, im hessi­schen Gelnhausen wieder, unweit der sowje­tischen Panzer an der Zonengrenze. Eddie Shaw war als Artillerieaufklärer eingesetzt und erinnert sich: »Ich gab in den Übungen die Positionen der feindlichen Stellungen durch: Schießt dort hinüber, auf die bösen Kommunisten! Sie saßen auf der anderen Seite und sagten: Schießt auf die bösen Kapitalisten! Töten, töten, töten!« In der Kuba-Krise und nach der Ermordung John F. Kennedys hatten die jungen Männer Angst vor dem großen Knall, bei dem sie an der Front­linie gestanden hätten. Der Film dramatisiert die Schilderungen nicht. Ruhig und in präzisen, rhythmischen Schnitten hält die Kamera die älteren Herren fest, die verschmitzt zurückblicken und versuchen, das eigene Erleben der bedrohlichen, weltpolitischen Lage in ironische Worte zu fassen. Kein lästiger Off-Kommentar drängt sich dazwischen, lediglich kurze Einblen­dungen von Kennedy, Adenauer oder Erhard, von Landkarten oder Originaldokumenten ordnen das Er­zählte zeitlich und geografisch ein. Das ist gut so. Denn die Monks und andere Zeit­zeugen wie Jochen Irmler von der Krautrockband Faust oder der bekannte Polydor-Produzent Jimmy Bowien verschaffen dem Zuschauer die Klarheit: Diese Band verdankte ihre Einzigartigkeit, aber auch ihr Scheitern den ganz besonderen äußeren Um­ständen.

In England verstand man die Musik der fünf Amerikaner aus Deutschland nicht. Niemand wollte dort »Black Monk Time« veröffentli­chen. In den USA fand sich auch keine Plattenfirma, was aber eher politische Gründe hatte. Die Monks kommentierten die Vietnam-Politik der USA, bevor es eine große Protestbewegung gab. »Why do you kill all those kids in Viet­nam? Mad Vietcong, mad Vietcong!«, brüllten sie. Sie verschwiegen aber nicht ihre eigene Verstrickung. Die Wörter »Mad Vietcong« fügte die Band erst nach einem internen Streit hinzu. Die Musiker waren zwar alles andere als große Patrioten, überzeugte Soldaten oder Befürworter eines Einmarschs in Vietnam, hatten der US-Armee durch ihren Militärdienst aber ihre Loyalität bewiesen. Die Monks verheimlichten die Tatsache nicht. Dieser Zwiespalt macht sie interessanter als spätere Interpreten, die in Protestsongs ihr reines Gewissen zu Gehör brachten.

Der Dokumentarfilm ist also weitaus mehr als ein Bandporträt. Und er zeigt mehr als eine Band vor dem Hintergrund der politischen Lage der Zeit. Er geht auch dem Einfluss der beiden Band­manager nach, die ihre künstlerischen Vorstellungen, ihre Nähe zu Fluxus und Dadaismus in das Kon­zept einfließen ließen und die Monks so erst zu einer Avantgardeband machten. Palacios und Post ermöglichen dem Zuschauer auf diese Wei­se einen Blick auf die zeitgeschichtlichen Vorgänge in der Kunst, die abseits von Beat und Pop abliefen. Freilich stößt der Versuch, nicht nur eine Bandgeschich­te zu dokumentieren, auch an Grenzen. Die Verhältnisse im postnazistischen Deutschland scheinen nur am Rand auf. »Der Vater meiner Freundin war bei der SS. Er starb im Krieg. Ihre Mutter konnte mich nicht sonderlich gut ausstehen«, erwähnt Roger, der Schlagzeuger. »Jeder Cutter hätte schon diese Andeutung herausgeschnitten, weil sie die Geschichte nicht voranbringt. Aber mir war wichtig, dass sie im Film bleibt. Um das Thema zu vertiefen, hätten wir aber ein neues Kapitel eröff­nen müssen. Das war nicht möglich«, erläutert Dietmar Post. Und letztlich ging es den Monks auch um anderes, wie Keyboarder Larry sagt: »Wir waren eine junge Rock’n’Roll-Band. Wir wollten spielen und Spaß haben.«

»Monks – The Transatlantic Feedback« (Deutschland/USA/Spanien 2006). Regie: Lucia Palacios und Dietmar Post, Start: 4. Oktober in ausgewählten Kinos, nähere Informationen unter: www.playloud.org