Fast die Sparkasse gespart

Beim Verkauf der Landesbank Berlin hatten die Privatbanken das Nachsehen. Doch die eigentümliche Konstruktion des Deals hätte die Übernahme der Sparkasse durch einen privaten Investor ermöglichen können. Von Richard Rabensaat

Der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist ein wackerer Kämpfer für die Privatisierung von landeseigenen Unternehmen. Beim Verkauf der Landesbank Berlin Holding AG (LBB) fragte er vorsorglich vorher bei der Europäischen Union an, ob nicht der Namensschutz für die Berliner Sparkasse entfallen könne. Denn dann hätte diese auch an einen privaten Investor verkauft werden können.

Bisher sind deutsche Sparkassen noch strikt öffentlich-rechtlich organisiert; daran scheitert der Einstieg von Privatbanken. EU-Kommissar Charlie McCreevy zeigte sich nach Sarrazins Anfrage erfreut, aber der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), ein Zusammenschluss der Sparkassen, verhinderte eine Aufhebung des Namensschutzes.

Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sind ein tragender Pfeiler des deutschen Bankensystems. Dieses ist in seiner Ausprägung weltweit einmalig. In Deutschland gibt es Privatbanken, Spar­kassen und Genossenschaften. Sparkassen engagieren sich vornehmlich in Fällen, in denen Klein­unternehmer zwar Ideen haben und Geld brauchen, aber nicht so schnell zu erwarten ist, dass hohe Gewinne abfallen. Keine Rendite wirft etwa auch das »Konto für jedermann« ab. Zwar haben sich alle Banken dazu verpflichtet, solche Konten anzubieten. Aber nur die Sparkassen fühlen sich ernsthaft an die Verpflichtung gebunden, auch Hartz-IV-Empfänger und andere Klienten zu versorgen.

All dies ärgert die Großbanken. Denn die Bilanz­summe der Sparkassen ist mit 2 379 Milliarden Euro ungefähr vier mal so hoch wie diejenige der Privatbanken. Außerdem haben die Sparkassen ungefähr doppelt so viele Kunden. Dementsprechend beklagen sich andere Banken, sie könnten hierzulande nur den Bruchteil der Profite erwirtschaften, die sie in anderen Ländern erzielen. Entgegen dem sonst üblichen Wettbewerbsfetischismus fordern sie deshalb die Abschaffung der lästigen Konkurrenz.

Den Zuschlag für den Kauf der Landesbank Berlin Holding AG erhielt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, also nicht ein privater Investor, wie zunächst befürchtet worden war. Von anfangs 19, zumeist privaten Bietern war lediglich der Verband bereit, die nun vereinbarten 5,3 Milliarden Euro zu zahlen.

Bereits am 15. Juni hatte der Senat dem Verkauf von 80,95 Prozent der Landesanteile der ehemaligen Bankgesellschaft zugestimmt, am 12. Juli billigte das Abgeordnetenhaus den Beschluss. Die Inszenierung der Verkaufsverhandlungen durch die Regierungsparteien SPD und »Die Linke« mutete indes ein wenig sonderbar an. Die Verhandlungen wurden im Geheimen geführt, und der Vertrag ist nicht öffentlich zugänglich gemacht worden.

Nach einer knappen Fragestunde für das Par­lament verlegten die Regierungsparteien die weitere Diskussion in die Ausschüsse. Nach den Ausschusssitzungen, die Parlamentariern vorbehalten sind, gab es eine turbulente Diskussion im Saal und anschließend eine öffentliche Abstimmung.

Die Abgeordneten stimmten einem 700seitigen Vertrag zu, den sie nicht kannten und dessen Details von der Finanzaufsicht des Bundes, dem Kartellamt und der Bankenaufsicht in Luxemburg genehmigt werden müssen. Rolf Kreibich von der Initiative »Bürger gegen den Bankenskandal« bewertet den Verkauf zwar positiv, aber er räumt ein: »Die Abgeordneten, die da abgestimmt haben, haben ihren Kollegen wohl einfach geglaubt.« Nicht minder eigenartig mutet es an, was der Senat, der sich ja als linkes Regierungsbündnis versteht, im Bankengefüge veranstaltet.

Faktisch arbeitet der Senat dem Aufbrechen des Drei-Säulen-Modells zu. Mit der Landesbank ist nämlich auch die Berliner Sparkasse verkauft worden. An sich sind Sparkassen unverkäuflich, weil es sich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen handelt. Diese unterliegen gesetzlichen Verpflichtungen. Sie sind angehalten, nicht primär gewinnorientiert zu arbeiten, und müssen ihre Gewinne an die Kommunen abführen. Zudem stehen sie in einem Haftungsverbund, bei dem eine Kasse schon einmal von einem starken Part­ner gestützt wird.

Deshalb hat der Berliner Senat eine Sonderkonstruktion geschaffen. Die Sparkasse bleibt öffentlich-rechtlich, aber die Landesbank wird zur Aktiengesellschaft und mit der Trägerschaft der Sparkasse beliehen. So hätte ein privater Investor mit dem Kauf der Landesbank auch die Sparkasse und damit die Gewinne derselben ein­sacken können. Das wäre der befürchtete Präzedenzfall gewesen, mit dem das deutsche Drei-Säulen-Modell aufbricht.

»Das Geld, das die Sparkassen erwirtschaften, fließt auch wieder in die Region«, stellt Jörg Rein­brecht, der bankenpolitische Sprecher von Verdi Berlin, fest. Mit der Konstruktion der Landesbank Berlin Holding AG hat der Senat genau dies aufs Spiel gesetzt. Reinbrecht verweist auf England. Dort gibt es keine Sparkassen. Und etwa 3,5 Millionen Bürger haben überhaupt kein Girokonto, weil sie auf Privatbanken angewiesen sind. Und die geben ihnen schlicht keines.

Nötig geworden war der Verkauf der Landesbank Berlin Holding wegen des Berliner Bankenskandals. Die Holding ist die Nachfolgegesellschaft der ehemaligen Landesbank Berlin. Diese hatte in den neunziger Jahren riskante Immobiliengeschäfte getätigt und war damit spektakulär gescheitert. Der Grund waren nicht zuletzt die »Rundum-Sorg­los-Fonds«, mit denen die Immobiliengesellschaft der Bank ihre Klientel beglückte. Die Gesellschaft bot die Immobilienfonds damals vorwiegend gut betuchten Käufern an. Diese konnten die Investition steuerlich abschreiben. Zudem garantierte die Gesellschaft den Anlegern Ausschüttungen. Die sollten selbst dann nicht sinken, wenn die prognostizierten Einnahmen sich nicht machen ließen.

Zum Zeitpunkt des Verkaufs der Fonds waren die Wohnungen allerdings oft noch nicht gebaut. Die entstehenden Neubauten waren tatsächlich weder verkäuflich noch vermietbar. Schließlich flog der Schwindel auf. Im März dieses Jahres ver­urteilte das Landgericht Berlin den CDU-Politiker Klaus Landowsky, der in den Skandal maßgeblich verwickelt war, wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten.

Der Berliner Senat sah sich wegen dieser dubio­sen Geschäfte gezwungen, im Jahr 2001 1,75 Mil­liarden Euro an die Bank zu überweisen, um ihren Konkurs zu verhindern. Dieser Überweisung stimmte die EU nur unter der Bedingung zu, dass das Land Berlin seine Anteile an der Bank verkauft, was nun geschah. Dass die Sparkasse in die Hände privater Investoren gerät, hätte also eine weitere üble Folge des Banken­skandals sein können.