Außen hui, innen pfui

Mit dem Fernsehsender Press TV will der Iran der Welt die Wahrheit verkünden. Zu sehen ist die Propaganda überall – nur nicht im Land selbst. von arian fariborz

Die Botschaft der Medien ist dieselbe wie die des Propheten!« Zutreffender hätte Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad das Selbstverständnis der in der Islamischen Republik gleich­geschalteten Medien wohl kaum beschreiben können. Anlässlich der Eröffnung des neuen englischsprachigen Satellitensenders Press TV in Teheran ließ Ahmadinejad den Satz verlauten. Seit dem 2. Juli ist der Nachrichtenkanal rund um die Uhr auf Sendung. Er wird von der staatlichen Rundfunkgesellschaft IRIB betrieben. Rund 400 Angestellte und 26 Korrespondenten von Washington bis Gaza-Stadt sollen dem hehren, prophetischen Anspruch gerecht werden, »der Welt die Wahrheit zu verkünden« und als »Podium für alle Freiheitssuchenden und Muslime« zu dienen, so der Präsident.

Dass diese zweifelhaften Segnungen der Mullahs allein dem Ausland zuteil werden sollen, gehört zu den zahlreichen Absurditäten des politischen Systems der Islamischen Republik. Der Empfang von Satellitenfernsehen ist im Iran nach wie vor strengstens verboten. Die staatlichen Restriktionen wurden von den re­ligiösen Hardlinern und Tugendwächtern in den vergangenen Monaten sogar noch weiter verschärft. Störsender wurden eingerichtet, um den Empfang von ausländischen Stationen wie CNN und BBC zu behindern. Bei verdächtigen Besitzern von Satellitenschüsseln wurden Razzien durchgeführt. Dass die Iraner Press TV nicht sehen können, wird indes die wenigsten betrüben, ist man doch die einseitige, uniforme Berichterstattung, die staatlich verordnete Linientreue zum islamistischen Regime, die immergleiche Rhetorik für die Islamische Revolution und gegen den Westen und die Monotonie der seichten, stets islamisch-korrekten Unterhaltungsprogramme gewohnt.

Die politischen Meinungsführer in Teheran haben mit ihrem neuen Sender denn auch ein gänzlich anderes Zielpublikum: Seit die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen den Iran im Dezember des vergangenen Jahres in Kraft traten und sich der Atomkonflikt zuspitzt, bemüht sich das Land vor allem in der westlichen Öffentlichkeit um Imagepflege. Dem vorherrschenden Bild in den westlichen Medien vom Schurkenstaat und destabilisierenden Faktor in der Krisenregion wollen die Programmmacher die »andere Seite der Geschichte« entgegensetzen, wie es auf der Website von Press TV heißt. Erklärtes Ziel ist es, den »weltweiten Würgegriff« westlicher Rundfunkprogramme zu durchbrechen. Mohammad Sarafraz, der Leiter des internationalen Dienstes des staatlichen iranischen Rundfunks, sagte, dass die Medien durch den Druck des Westens in zwei Lager geteilt seien: Die eine Hälfte sei pro-westlich, die andere radikal-islamischen Gruppen wie al-Qaida verbunden. »Wir wollen zeigen, dass es eine alternative Position gibt«, äußerte sich Sarafraz weiter.

Eine Alternative freilich, der der Ruch der frühen Jahre unter Khomeini anhängt: »Weder Ost noch West – allein Islamische Republik!«, lautete damals das Credo des islamistischen Klerus, der seit den achtziger Jahren das politische System der »Herrschaft der Rechtsgelehrten« (»velayat-e faqih«) als Exportmodell auch für die Re­gion des Nahen Ostens deklarierte. Tatsächlich ist es dem Regime in Teheran mit Hilfe moderner Massenmedien gelungen, den Einfluss in der Region gezielt zu erweitern. Ein Beispiel hier­für ist der iranische Auslandssender al-Alam, ein arabischsprachiger Nachrichtenkanal, der noch vor dem Irak-Krieg 2002 als Konkurrenz zu al-Jazeera gegründet wurde. Bis heute erfreut sich der Sender vor allem bei den schiitischen Muslimen im benachbarten Irak und im Libanon großer Beliebtheit. Zudem soll der Iran den extremistischen Hizbollah-Sender al-Manar im Libanon finanzieren.

Wie sehr sich die Islamische Republik dem Kampf um medialen Einfluss in der Region verschrieben hat, zeigte sich auch auf einer Tagung, die im Mai in Damaskus stattfand. Auf dieser »Dritten Internationalen Konferenz für arabische und islamische Medien zur Unterstützung des palästinensischen Volkes«, auf der hochran­gige iranische, syrische und palästinensische Regierungsvertreter sowie der Leiter von al-Manar zugegen waren, ging es inhaltlich insbesondere um Strategien, »feindliche, westliche und zionistische Medien« zu behindern und die »innere Front« durch den Aufbau von so genannten Widerstandsmedien in der Region zu stärken.

Von derart offenkundigen Kriegserklärungen an die Adresse des Westens sieht man bei Press TV ab. Programm und Website kommen modern und professionell gestaltet daher und orientieren sich an westlichen Medienvorbildern, was natürlich verschwiegen wird. Wer hier Hass­prediger und Märtyrerbrigaden erwartet, wird vergebens suchen. Nachrichten, Dokumentationen und Talkshows füllen das Programm. Alles erscheint harmlos und objektiv.

Doch bei näherem Hinsehen ist die tenden­ziöse Berichterstattung klar ersichtlich. Zum Beispiel kommentiert Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez die vermeintliche Dämonisierung des Iran durch westliche Medien, die Zuschauer stimmen in Umfragen mit einer überdeutlichen Mehrheit für einen Rückzug der ame­rikanischen Streitkräfte aus dem Irak, es wird über Irans unentwegten Willen zur Kooperation im Atomkonflikt berichtet. Dazu gibt es Tri­umph­meldungen aus der Wirtschaft: Ahmadinejad wolle den Ölsektor seines Lands revolutionieren und bald zum Benzin-Exporteur in der Region aufsteigen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Vor kurzem protestierten in der Hauptstadt Teheran die Menschen gegen die verordnete Rationierung des Benzins. Sie ließen ihrem Zorn über die Regierung eines Landes freien Lauf, das als der viertgrößter Erdölproduzent der Welt noch immer Benzin importieren und staatlich subventionieren muss.

Wer es in der Islamischen Republik dagegen eher mit der Wahrheit hält und ein realistischeres Bild der politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes zeichnet, dem droht Zensur, Gefängnis oder die Schließung der Redaktionsbüros. Die jüngsten Beispiele sind die re­form­orientierte Zeitung Ham Mihan des ehemaligen Bürgermeisters von Teheran, Gholam Hossein Karbaschi, sowie die Online-Nachrichtenagentur ILNA. Sie wurden Anfang Juli kurzer­hand geschlossen, weil sie Präsident Ahmadine­jad vorgeworfen hatten, sein Versprechen, die wirtschaftliche Misere im Iran zu beseitigen, nicht gehalten zu haben.

Seit 2000 wurden auf Anordnung der iranischen Justiz und des Rats zur Überwachung der Presse über 100 Publikationen verboten. Der internationale Journalistenverband (IFJ) hat kürzlich die Führung in Teheran beschuldigt, »ein Klima der Einschüchterung zur Unterdrückung der Pressefreiheit« geschaffen zu haben. Nach Informationen der Organisation Reporter ohne Grenzen hat sich seit Anfang dieses Monats die Zahl der inhaftierten unabhängigen Journalisten auf sechs erhöht. Am 1. Juli wurde der kurdische Reporter Mohammad Sadegh Kabovand verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Der Iran bleibt nach Angaben der Reporter ohne Grenzen das größte Gefängnis für Journalisten im Nahen Osten.