Besuch vom anderen Stern
Weine nicht, wenn der Nazi fällt, Schramm-Damm, Schramm-Damm.« Manchmal versucht es die Antifa mit Humor. »Unsere Umdichtung auf Drafi Deutscher hätte der Hit der Demo werden können, aber wir haben’s leider nicht mehr geschafft, Zettel mit dem Text zu kopieren«, klagte ein Antifa nach der Demonstration im sächsischen Mittweida am Samstag. Die meisten Zuhörer schmunzelten dennoch über die Veralberung der beiden Lokalpolitiker.
Der Landrat Andreas Schramm und der Bürgermeister Matthias Damm, beide von der CDU, hatten sich vehement gegen die Antifademonstration gewehrt, die aus ihrer Sicht nur zur »Eskalation« führe. Auch das Fest zur Einweihung eines neuen Feuerwehrgerätehauses am selben Tag könne gestört werden, hatten sie befürchtet.
Der Rektor der Mittweidaer Hochschule beendete bereits am Freitagmittag den Lehrbetrieb und schickte die Studierenden ins verlängerte Wochenende, um sie von einer Teilnahme an der Demonstration abzuhalten. Die meisten Bürger blieben vorsichtshalber sowieso in ihren Wohnungen und schauten den 1 500 Demonstranten, die vor allem von auswärts kamen, vom Fenster aus zu, wie sie durch die engen Straßen der Kleinstadt zogen, um gegen die brutale Neonazigewalt in der Region zu protestieren. (Jungle World, 19/07)
70 Bürger bildeten die Spitze der Demonstration. Sie machten sich nicht viel aus dem Szenario des Schreckens, dem Bild der ach so gewalttätigen Linken, das die rechten Lokalpolitiker gezeichnet hatten. »Der Bürgermeister hat sogar bei der Frau des Pfarrers angerufen, um den Pfarrer abzuhalten, an der Demonstration teilzunehmen«, erzählt Torsten Bachmann von der Linkspartei. Noch am Tag der Demonstration, so ist in einem Mittweidaer Weblog zu lesen, habe Damm in einem Radiointerview gesagt, die Demonstration bedeute »nur Gewalt«. Doch diese blieb aus, von dem heftigen Vorgehen der Polizei gegen Aufkleber anbringende Demonstranten abgesehen.
Bürgermeister Damm ist mit seinen Äußerungen nach dem Verbot der Mittweidaer Neonazikameradschaft »Sturm 34« in die Kritik geraten. Im Ort gebe es keinen Naziterror, höchstens Straftaten mit rechtem Hintergrund, behauptete er. Schließlich rief er eine eigene Aktion ins Leben, hängte auf dem Marktplatz Transparente auf, auf denen zu lesen war: »Gegen Gewalt«, »Gegen Extremismus« und »Für Demokratie«. 50 Leute standen vereinzelt mit ihm auf dem Markt herum.
Er hatte auch angekündigt, zu den Teilnehmern der Antifademonstration sprechen zu wollen, doch die Veranstalter lehnten das Vorhaben ab. In einem Brief wies der Anmelder der Demonstration, Michael Leutert, das Ansinnen des Bürgermeisters ironisch zurück: Bei einem Auftauchen des Bürgermeisters auf der Demonstration drohe Zeitverzug, und das gefährde das lokale Feuerwehrfest. Nach einem kurzen Wortgefecht zwischen Leutert und Damm verschwand dieser am Samstag im Rathaus. Rund 1 500 Demonstranten besetzten für eine Stunde den Platz, der sonst ein Lieblingstreff der Neonazis ist.
Zur Konfrontation mit Rechtsextremen kam es nur am Stadtrand, als die Demonstrationsroute zwischen Streuobstwiesen und Gewerbeflächen entlangführte. Ein Dutzend Neonazis lugte von einem Parkplatz aus mit verschränkten Armen zwischen den Bäumen hervor. Nach Angaben der Polizei wurden am Rande der Demonstration 24 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum in Gewahrsam genommen und fünf Linke.
Im Anschluss an die Veranstaltung wurden sieben Mitglieder der verbotenen Organisation »Sturm 34« in Gewahrsam genommen. Die fünf Männer und zwei Frauen gehörten zu einer Gruppe, die sich nach der Demonstration versammelt hatte. Gegen sie wird wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittelt.