Oooeeennng!

Autoindustrie und Klima von stefan wirner

In der vorigen Woche ist der Treibhauseffekt noch einmal mit einer Menge heißer Luft angefeuert worden. Nachdem der Entwurf des Klimaberichts der Uno bekannt geworden war, die apokalyptische Prophezeihung, dass der Menschheit nur noch 13 Jahre verblieben, um die Klimakatastrophe zu verhindern, wurde ausgiebig räsoniert, etwa darüber, wie viel CO2 der Dienstwagen eines Ministers ausstoßen dürfe oder ob die KFZ-Steuer sich künftig nach dem CO2-Ausstoß des Autos bemessen solle.

Zuvor hatte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, die Deutschen bereits in der Financial Times Deutschland aufgefordert: »Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!« Im »Automobilland« (Kurt Beck) zum Kauf ausländischer Autos aufzurufen, war ein gut kalkulierter PR-Gag. Aber gerade in der Zeit, da die Grünen mitregierten, wurden die deutschen Autos zu den größten Dreckschleudern auf Europas Straßen. Rot-Grün hoffte auf die »Selbstverpflichtung« der Industrie, und zwar »nachhaltig«.

Die Mitglieder des europäischen Autoherstellerverbands ACEA verpflichteten sich 1995 tatsächlich dazu, dass Neuwagen im Jahr 2008 im Schnitt weniger als 140 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen sollten. Dass dieses Ziel nicht mehr zu erreichen ist, wie inzwischen eingestanden wird, liegt vor allem an den deutschen Herstellern, die überwiegend schnelle Autos mit hohem Benzinverbrauch produzieren. Zum Vergleich: Die Autos von VW stoßen nach einem Bericht der Zeitschrift Capital im Schnitt 163, die von BMW 190 und die von Porsche 300 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Die Autos von Fiat, Peugeot und Renault liegen im Schnitt bei 150 Gramm.

Aber die Autoindustrie, der ADAC und die Bundesregierung nehmen eher das Abschmelzen der Polkappen in Kauf, als den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sprach sich in der vorigen Woche vehement gegen ein Tempolimit aus, das in den meisten Ländern der Welt gang und gäbe ist. Die Financial Times Deutschland kommentierte: »Freie Fahrt auf Autobahnen gehört zu Deutschland wie Pesto zu Italien oder Baguette zu Frankreich.«

Das unbegrenzte Rasen auf den Autobahnen ist unzweifelhaft eine deutsche Spezialität. Rolf Wiggershaus schrieb in der Zeitschrift für kritische Theorie etwa über die Bedeutung der »Reichsautobahn« im Nationalsozialismus: Sie »symbolisierte sinnfällig den besonderen ›deutschen‹ Fortschritt. Sie stand für die Schließung der Kluft zwischen entfesselter Technik und dem Bedürfnis nach Naturnähe und Volksverbundenheit, kurz Heimatlichkeit. Die Autobahn war gedacht als Naturpfad für höhere Geschwindigkeiten, als zeitgemäße Form der Erschließung eines sich ausdehnenden Reichs durch dahingleitende Autowanderer in ihren Volkswagen.«

Schlichter brachte es seinerzeit der inzwischen verstorbene »Autowanderer« und bayerische Wirtschaftsminister Gustl Lang (CSU) zum Ausdruck: »Was nützt uns die schönste Natur, wenn man nicht mit dem Auto hinfahren kann?« Die Fetischisierung des Autos und die romantische Naturverklärung sind zwei tragende Elemente der deutschen Ideologie. Sie finden zusammen im ungebremsten Rasen durch die Landschaft. Die Deutschen werden wohl auch dann noch über die Autobahn jagen, wenn Hamburg schon in den Fluten der Klimakatastrophe versunken ist.