La tristesse

Demokratische Illusion von chafia djemame, paris

Seit langem beklagen sich die Franzosen allenthalben über die Kandidaten und über deren Vorschläge. In einer Zeit, da die offizielle Linke und die Rechte sich gegenseitig ihre Argumente wegnehmen, sind viele Menschen enttäuscht.

Mit Nicolas Sarkozy stimmt man, so scheint es, für eine autoritäre Gesellschaft und freie Unternehmer, mit Ségolène Royal für ein sozialeres Frankreich und eine menschlichere Politik. Aber die beiden Kandidaten bemühen sich zu zeigen, dass die angeblichen Vorzüge, die man beim anderen erkennt, auch im eigenen Programm nicht fehlen. Sarkozy streut in seine Reden soziale Elemente ein, Royal zeigt sich beim Thema innere Sicherheit fest entschlossen.

Sarkozy biedert sich den Milieus der Zuwanderer an, die ihm seit der Revolte in den Banlieues feindlich gegenüberstehen, einer Revolte, die von seinen Beleidigungen und der Art und Weise erst ausgelöst wurde, wie er die Polizei in den Banlieues eingesetzt hat. Er hat deshalb eine beurette als Pressesprecherin im Angebot, Rachida Dati, eine Französin mit maghrebinischem Hintergrund. Sie soll sein Image unter den Migranten in den Vororten verbessern.

Währenddessen beruhigt Royal die Unternehmer hinsichtlich ihrer finanzpolitischen Vorhaben. Hierzu dient die Aufnahme von Dominique Strauss-Kahn, dem »Liberalen in der Sozialistischen Partei«, ins Wahlkampfteam. »Es wird keine Veränderungen in der Finanzpolitik geben, die als Schwächung der Arbeit und der Leistung interpretiert werden können«, sagt Royal.

Sarkozy hat angekündigt, das Streikrecht infrage zu stellen, um »Reformen« der Renten und der sozialen Sicherungssysteme durchzuführen. Wenn man sich für Royal entscheidet, stellen sich einem mehr Fragen, als es Gewissheiten gibt. Wenn sie die Finanzpolitik nicht infrage stellt, die auf einer ungerechten Mehrwertsteuer von 19,6 Prozent, die alle bezahlen müssen, basiert und auf Abgaben, die den Arbeiter mehr kosten als den Unternehmer, wie kann sie dann ihre sozialen Versprechungen finanzieren?

Was Leute wie mich, die nicht wählen, weil sie in Frankreich leben, ohne Franzosen zu sein, überrascht, ist die Funktionsweise dieser Demokratie. Die Vorstellung, dass die Demokratie repräsentativ sei und den Willen der Wähler zum Ausdruck bringe, ist lächerlich geworden; nur taktisches Wählen ist noch möglich. Die Bestürzung darüber, dass Le Pen bei der Präsidentschaftswahl im April 2002 in die Stichwahl kam, führt heute dazu, dass es auch in Frankreich zu einer Art des amerikanischen Zwei-Parteien-Modells kommt.

Das heimliche Einverständnis unter den politischen Milieus, der Wirtschaft und den Medien verstärkt das zynische Bild von der Politik. Das ist die beste Unterstützung, die die Erste Welt den korrupten und autoritären Machthabern im Süden zukommen lassen kann. Die Unterschiede zwischen autoritärer Macht und Demokratie verwischen, wenn es die Demokratie dir nur erlaubt, dich ein bisschen auszudrücken statt ganz.

Aber immerhin: Wenn ein Gesetz zum Recht auf Wohnen durchgesetzt wird, das die Verwaltung unter bestimmten Bedingungen verpflichtet, Menschen eine Wohnung zu geben, und wenn ein solches Gesetz von einer rechten Regierung verabschiedet wird, wie es nun der Fall ist, dann sind Wahlkampfzeiten auch nützliche Zeiten für die soziale Bewegung und ihre Forderungen.

Aus dem Französischen von Sophie Feyder