Die Passionszeit hat begonnen

Die linke Regierungskoalition in Italien musste eine herbe Niederlage einstecken. Um sich zu retten, muss Ministerpräsident Prodi zwei Vertrauensabstimmungen gewinnen. von catrin dingler, rom

Das Lächeln in Romano Prodis Gesicht erinnerte zumeist an das aufgemalte Lachen einer Karnevalsmaske. Am Aschermittwoch aber war für den Ministerpräsidenten dann Schluss mit lustig. Eine Abstimmungsniederlage im Senat, nach der Prodi seinen Rücktritt einreichte, brachte in der vergangenen Woche die altbekannten christdemokratischen Züge der italienischen Politik zum Vorschein. Viele Wähler der Linken richteten ihre Empörung allerdings mit E-Mails und Telefonanrufen in den Parteizentralen gegen die Abstimmungsverweigerer Franco Turigliatto und Fernando Rossi von der radikalen Linken. Offensichtlich durchlebte die linke Basis noch einmal das Trauma vom Herbst 1998. Damals hatte Rifondazione Comunista das Haushaltsgesetz nicht mittragen wollen und somit die erste Regierung von Romano Prodi zu Fall gebracht. Obwohl das Verhalten der beiden Senatoren zur einfachen Parallelisierung einlädt, geht die derzeitige Krise nicht auf das Konto der radikalen Linken.

Die anhaltenden Querelen innerhalb der Regierungskoalition wegen der Erweiterung des US-Militärstützpunkts in Vicenza und des italienischen Militäreinsatzes in Afghanistan hatten Außenminister Massimo D’Alema dazu veranlasst, im Senat noch einmal »einen größtmöglichen Konsens« für seine Politik einzufordern. Er stellte klar, dass den pazifistischen Forderungen nicht nachgegeben werde, betonte aber gleichzeitig die »Diskontinuität« zur Vorgängerregierung. Italien bemühe sich weiter um diplomatische Lösungen und eine internationale Friedenskonferenz für Afghanistan.

Da das Mitte-Links-Bündnis im Senat, der zweiten Kammer des italienischen Parlaments, nur über eine knappe Stimmenmehrheit verfügt, stellt jede Abstimmung die Koalition vor Probleme. Schließ­lich stimmten 158 Senatoren den von D’Ale­ma vorgetragenen Leitlinien zur Außenpolitik zu, 136 stimmten dagegen, 24 enthielten sich. Da Enthaltungen im Senat wie Gegenstimmen gezählt werden, verlor die Regierung mit 158 zu 160 Stimmen. Die Strategen der Koalition hatten sich verrechnet. D’Ale­ma hatte vor der Abstimmung angekündigt, die Koalition werde im Falle einer Niederlage möglicherweise zurücktreten.

Der anfängliche Schock entlud sich in wüsten Beschimpfungen der zwei »dissidenten« Vertreter der radikalen Linken, die sich nicht an der Abstimmung beteiligt hatten. Allerdings hatte Turigliatto, der dem trotzkistischen Flügel der Rifondanzione Comunista angehört, bereits zuvor angekündigt, der Abstimmung fern zu bleiben. Er ist am Samstag aus seiner Partei ausgeschlossen worden. Auch die Zustimmung Rossis, der bereits im Sommer aus der Partei der Italienischen Kommunisten ausgeschlossen worden war und seither als Unabhängiger dem Senat angehört, hätte der Koalition nicht die Mehrheit sichern können. Es ist unsinnig, die beiden linken »Abweichler« für die Niederlage verantwortlich zu machen. Auch Piero Bernocchi von der Basisgewerkschaft Cobas verkennt die Lage, wenn er versucht, den Sturz der Regierung als Sieg der radikalen Antikriegsbewegung zu verbuchen.

Entscheidend für das Abstimmungsergebnis war das Votum einiger Senatoren auf Lebenszeit, die formal keinem der beiden Blöcke angehören, bisher jedoch mehrheitlich für die Mitte-Links-Koalition gestimmt hatten. Der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga hatte diesmal bereits frühzeitig sein Veto angekündigt. Überraschend kamen dagegen die Stimmenthaltungen des Turiner Industriellen Sergio Pininfarina und des ehemaligen siebenfachen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti.

Diese drei betagten Honoratioren der italienischen Politik provozierten die Abstimmungs­niederlage und damit den Sturz der Koalition. Verantwortlich für den Rückfall in alte Verhältnisse sind also ironischerweise jene, die in der Epoche der kurzlebigen Regierungen und turbulenten Mehrheitswechsel, die für die Politik in den Jahren der christdemokratischen Hegemonie charakteristisch waren, bereits zu den Protagonisten zählten. Abgeordnete der Rifondazione sprechen von einem »Komplott«, von »größeren Mächten«, die seit langem die Absicht gehabt hätten, die Regierung zu stürzen. Die Altsenatoren Cossiga, Andreotti und Pininfarina stünden demnach für die Interessen der USA, des Vatikan und des Unternehmerverbandes. Man muss sich diesen verschwörungstheoretischen Spekulationen nicht anschließen, um im Abstimmungsverhalten der drei ehemaligen Christdemokraten eine Offensive der »neuen Mitte« zu erkennen.

Prodi blieb nach der Niederlage nichts anderes übrig, als bei Staatspräsident Giorgio Napoletano seinen Rücktritt einzureichen. Dieser hat ihn nur »unter Vorbehalt« angenommen, um zunächst alle politischen Parteien zu konsultieren und die Optionen, die ihm in einer Krise aufgrund seines Amtes offen stehen, abzuwägen. Dass es ohne vorgezogene Neuwahlen zu einem Bündnis zwischen den reformistischen Linksparteien und der Forza Italia von Silvio Berlusconi kommen könnte, stellte sich sehr schnell als unwahrscheinlich heraus. Die Forderung nach sofortigen Neuwahlen wurde außer von der Lega Nord von niemandem ernsthaft erhoben.

Lange Zeit blieb ungewiss, ob der Staatspräsident nicht für die Bildung einer »technischen« Regierung plädieren würde. Diese wäre, vermutlich unter der Führung des derzeitigen Innenministers Giuliano Amato und unter Einbeziehung der zum rechten Lager zählenden christdemokratischen Partei UdC, mit der Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes beauftragt worden. Dann hat sich Napoletano doch dazu entschlossen, noch einmal Prodi und der bisherigen Regierungskoalition die Möglichkeit zu geben, sich in den Parlamentskammern das Vertrauen erneut bestätigen zu lassen.

Die neue Regierung »Prodi-bis«, »Prodi, die zweite«, wird in Zukunft versuchen, ihre Mehrheit durch die externe Unterstützung der vom rechten Lager abgespaltenen christdemokratischen Partei »Italien der Mitte« aufrechtzuerhalten. Damit ist klar, dass die politische Handlungsfähigkeit der Linken innerhalb der wiederbestätigten Mitte-Links-Koalition noch eingeschränkter sein wird als bisher.

Dagegen können die christdemokratischen Kräfte, die sowohl im rechten als auch im linken Spektrum zu finden sind, für ihr Projekt einer »neuen Mitte« einen entscheidenden Sieg verbuchen. Das »12-Punkte-Programm«, das Prodi zur Rettung seiner Koalition vorgelegt hat, folgt den römisch-katholischen Wertvorstellungen. In ihm sind alle in den vergangenen Wochen mühsam ausgehandelten sozial- und familienpolitischen Kompromisse getilgt. Die Linke scheint geneigt, diesen zwölf Bedingungen zuzustimmen und eine uneingeschränkte Herrschaft von Premierminister Prodi mitzutragen. Damit mag sich die Gefahr einer Rückkehr Berlusconis an die Macht abwenden lassen, nicht aber die Offensive der alten und neuen Christdemokraten.