Am Ende des Regenbogens

Dem Kampf gegen die Korruption wollte sich der kenianische Präsident Kibaki widmen. Doch weiterhin kassieren Politiker ebenso wie Polizisten. von fabian frenzel

Ob Straße, Schule oder Behörde – es gibt kaum einen Ort, an dem die Kenianer nicht mit der Forderung nach einem Bestechungsgeld konfrontiert werden. Wer eine Bescheinigung benötigt, muss den Beamten für die Ausstellung belohnen, und wer sicherstellen will, dass seine Kinder die Prüfung bestehen, übergibt dem Lehrer ein Geschenk. Bei Straßenkontrollen halten Polizisten die Hand auf, und wer nicht zahlt, muss mit einer mehrstündigen Durchsuchung oder einem Strafzettel wegen eines erfundenen Vergehens rechnen.

In den Städten zahlen Kenianer durchschnittlich 16 Mal im Monat Schmiergeld, zwei von drei Staatsbediensteten, mit denen sie zu tun haben, wollen bestochen werden. Das ergaben Untersuchungen der NGO Transparency International (TI). Wie in vielen anderen afrikanischen Staaten ist die Korruption nicht nur ein Geschäft, dem sich überwiegend die Mächtigen widmen. Sie prägt den Alltag, und vielen Staatsangestellten bleibt kaum etwas anderes übrig, als abzukassieren, da ihr geringes Gehalt nicht zum Leben reicht.

Doch der Ärger über die Korruption ist groß, sowohl über die faktische Zusatzsteuer, die an Staatsbedienstete entrichtet werden muss, als auch über die Selbstbereicherung der Oligarchie. Mwai Kibaki gewann die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2002 vor allem mit dem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen. Unterstützt von der Regenbogenkoalition (Narc), löste er bei den ersten freien Wahlen Daniel arap Moi ab, der Kenia 24 Jahre lang autokratisch regiert hatte.

Kenia galt unter Mois Regentschaft als paradigmatischer Fall eines von systematischer Korruption gelähmten Landes. In der so genannten Goldenberg-Affäre vergab der Staat beispielweise Exportbeihilfen in Millionenhöhe, doch die Exporte fanden nie statt. Die profitierenden Unternehmen waren in Mois direktem Umfeld angesiedelt. Die Korruption schmälerte das Budget, verstärkte die Inflation und verteuerte die Importe. Immer mehr verlagerten sich die wirtschaftlichen Aktivitäten in den informellen Sektor. In den unteren Rängen der Bürokratie orientierte man sich am Vorbild der Regierenden.

Unter dem bei seinem Amtsantritt euphorisch gefeierten Kibaki schien zunächst alles besser zu werden. Es gab eine regelrechte Bewegung gegen die Korruption. Buspassagiere intervenierten, wenn der Fahrer den Verkehrspolizisten an den Checkpoints Schmiergeld zahlen wollte, und Verwaltungsbeamte mussten flüchten, weil Menschen die Ämter stürmten und die Rückzahlung jahrelang eingesammelter Bestechungsgelder verlangten.

Auch die »internationale Gemeinschaft« reagierte euphorisch. Die während Mois Regentschaft zurückgehaltene Entwicklungshilfe wurde freigegeben und die neue Regierung mit Finanzhilfen geradezu überschüttet. Kenia sollte zum Vorbild für »Good Governance« werden, für eine demokratische Wende und eine ernsthafte Bekämpfung der Korruption.

Doch mittlerweile sind sowohl die Kenianer als auch die »Geberländer« enttäuscht. Spätestens als John Githongo im Frühjahr 2005 fluchtartig Kenia verließ, wurde deutlich, dass auch die neue Regierung nicht frei von Korruption ist. Githongo hatte als TI-Vorsitzender in Kenia gegen Mois Regime gearbeitet und war als Staatssekretär für Ethikfragen in die neue Regierung eingetreten. Doch als er die korrupten Machenschaften einiger Kabinettskollegen in der so genannten Anglo-Leasing-Affäre aufdeckte, sah er sich Einschüchterungen und Drohungen ausgesetzt.

In dieser nach der britischen Firma Anglo Leasing Finance benannten Affäre hatten Regierungsmitglieder Schattenfirmen mit Staatsaufträgen betraut und Millionenbeträge überwiesen. Die Aufträge wurden aber nie ausgeführt, und rund 700 Millionen Dollar verschwanden. Einige beschuldigte Minister leugneten ihre Beteiligung, andere verwiesen darauf, dass das veruntreute Geld der Narc zum Wahlkampf dienen sollte.

Githongos wiederholte öffentliche Interventionen führten zwar zum Rücktritt einiger Minister. Dennoch beklagte er, keine ausreichende Unterstützung von Kibaki bekommen zu haben. Gegenüber der kenianischen Tageszeitung The Nation beschuldigte Githongo am vergangenen Freitag den Präsidenten, er sei Mitwisser des Skandals. Kibaki »kennt die Beweise seit 2005« und habe entweder nicht den Willen oder nicht die Macht, gegen die Korruption vorzugehen. Zwei Tage zuvor hatte die Antikorruptionskommission versprochen, ihre Erkenntnisse über die Anglo-Leasing-Affäre in zwei Monaten vorzulegen. »Solche Ankündigungen haben wir schon zuvor vernommen«, kommentierte die Nation. Bislang habe die Kommission den Eindruck erweckt, dass »sie Korruptionsfälle selektiv untersucht«.

Zumindest viele Verbündete Kibakis haben kein Interesse daran, die Korruption zu beenden. In der Narc finden sich zahlreiche Politiker, die zuvor Mitglieder der Kanu, der Partei Mois, waren. Zu ihnen zählt auch Kibaki selbst. Manche, wie die sogenannte Mt.-Kenia-Mafia, ein Netzwerk von Wirtschaftsführern aus der Bevölkerungsgruppe der Kikuju, der auch Kibaki angehört, unterstützen den Präsidenten, weil sie ein Interesse an einer von einem Kikuju geführten Regierung haben.

Auch die internationalen Geldgeber haben ihre Unterstützung für Kibakis Regierung reduziert. Kürzlich nannte Kim Howells, Staatssekretär im britischen Außenministerium, Kenia wegen der anhaltenden Korruption ein »soft target« für Terroristen, Geldwäscher und Drogenhändler.

Doch in großen Korruptionsfällen gibt es meist Partner im Westen. Der kenianische Wirtschaftswissenschaftler James Shikwati sieht überdies einen Zusammenhang zwischen westlicher Einflussnahme und Korruption. Es sei falsch, Politiker wie Kibaki mit Hilfsgeld zu überschütten, bevor klar sei, wie erfolgreich ihr Kampf gegen die Korruption ist. Shikwati fordert ein Ende der Entwicklungshilfe, auch von der Entschuldung hält er nichts. Es schade der Demokratisierung, wenn die durch Korruption verursachten Schäden durch immer neue Transfers behoben würden. Die Bürger hätten keinen Anreiz zu einer stärkeren Kritik der eigenen Eliten.

An Kritik allerdings mangelt es nicht. Die Strukturen in der Bürokratie haben sich nicht geändert, weiterhin verdienen viele Staatsangestellte kaum mehr als umgerechnet 50 Dollar im Monat, und kassiert wird noch immer. Die Enttäuschung über Kibaki ist groß, und der Präsident, der sich noch in diesem Jahr Neuwahlen stellen muss, greift nun zu autoritären Methoden. Bereits im vergangenen Jahr hatten Polizisten nach der Veröffentlichung von regierungskritischen Artikeln das Büro einer Tageszeitung verwüstet, drei Journalisten wurden verhaftet und warten auf ihren Prozess. Im Januar ernannte Kibaki die Mitglieder der Wahlkommission. Die Oppositionsparteien sind darin nicht vertreten.