Liberté toujours

Rauchen ist Privatsache, Nichtrauchen auch. Alles andere ist eine autoritäre Omnipotenzphantasie. von martin krauss, nichtraucher

Tue ich doch zu Beginn dieses Beitrags einfach mal so, als ob das folgende private Detail aus meinem Leben von Belang wäre. Ich habe von meinem 17. bis zu meinem 34. Lebensjahr geraucht. Seither, es sind über acht Jahre, rauche ich nicht mehr. Früher hatte ich kein schlechtes Gewissen, wenn ich geraucht habe. Heute habe ich keine Migräne, wenn andere rauchen.

Wer sich heute als Gast in meiner Wohnung aufhält, darf selbstverständlich rauchen; ich will ja kein schlechter Gastgeber sein. Warum sollte ich auch auf rauchfreie Zonen pochen? Warum sollte ich mich für (wahrscheinlich fragwürdige) Statistiken über die Mortalitätsraten von Passivrauchern interessieren?

Es ist so wie bei den Menschen, die sich »Keine Werbung«-Aufkleber an den Briefkasten pappen: Fehlt der Aufkleber, ist Werbung drin. Man wirft sie einfach weg. Klebt er aber dran, ist auch Werbung drin. Aber hinzu kommt noch der Ärger: Ja, können die nicht lesen?

So ist es mit den meisten Nichtrauchern auch, und wie immer im Leben sind die Konvertiten die schlimmsten. Sie riechen Rauch in Kleidung, im Atem, in der Gardine, überall. Aus dem an sich ja sympathischen Versuch, sein Leben besser, erlebnisreicher und schöner zu gestalten, wird ein Rohrkrepierer. Wo Gesundheit gesucht wird, wird Krankheit gefunden. »Die Gesellschaft setzt mit der Sterblichkeitsziffer das Leben zum chemischen Prozess herab«, schreiben Horkheimer und Adorno in der »Dialektik der Aufklärung«. Im christlichen Europa würden die Menschen nur noch »mit dem Blick des Sargmachers« betrachtet, »sie sind an der Krankheit interessiert, erspähen beim Essen schon den Tod des Tischgenossen, und ihr Interesse daran ist durch die Teilnahme an seiner Gesundheit nur dünn rationalisiert«.

Meine als Jugendlicher getroffene Entscheidung zu rauchen, war eine private. Meine vor acht Jahren getroffene Entscheidung, nicht mehr zu rauchen, ist auch eine private. Was sich geändert hat, ist der gesellschaftliche Diskurs. Das Rauchen wird nicht mehr als Privatsache betrachtet: als Möglichkeit privaten Genusses oder als private Schädigung der Gesundheit. Heute gilt es als Belästigung, als Krankheitsursache und, politisch gewendet, als Anschlag auf die Volksgesundheit. Da möchte ich nicht dabei sein.

Gewiss, es ist schon so, dass, wenn ich mich abends mit einem Raucher in einer Kneipe treffe, am nächsten Morgen meine Kleidung mieft. Aber gerade als jemand, dem es wichtig ist, das Leben möglichst angenehm zu gestalten, mache ich das, was ich an jedem anderen Morgen auch mache: mich waschen und frische Kleidung anziehen. Warum ich aus so etwas Banalem ein gesellschaftliches Problem machen sollte, leuchtet mir nicht ein. Es ist ja auch unschön, wenn man an der Fußgängerampel von einem durch die Pfütze fahrenden Auto nass gespritzt wird, aber soll ich deswegen an den Gesetzgeber appellieren? Für glatte Fahrbahnen, auf denen keine Pfützen entstehen? Täte ich das, würde ich zum unzufriedenen Menschen, denn statt mich einfach ein bisschen weg von der Pfütze zu stellen, schimpfte ich bloß rum.

Für mich persönlich halte ich ein privates Arrangement mit aus dem Verhalten von Mitmenschen herrührenden Dingen, die mitunter auch von mir als Missstand wahrgenommen werden, für sinnvoller. Dass es Menschen gibt, die der Geruch von Rauch mehr stört als mich und die das nicht für eine Privatsache halten, ist okay. Da ich es aber für meine Privatsache halte, ob ich mich gestört fühle oder nicht, will ich niemandem meine Art der Reaktion verordnen. Das soll jeder machen, wie er will: Das kann die von mir zwar nicht vorgetragene, aber bei anderen gar nicht kritisierte Bitte an den Gast sein, ob dieser nicht auf dem Balkon rauchen könne. Oder dass man sich in die Nichtraucherabteilung eines Restaurants setzt.

Was mich aber mehr als nur ein wenig aufschrecken lässt, ist, wenn politische Forderungen erhoben werden, wenn an den Staat appelliert wird, er solle doch für Rauchfreiheit sorgen: Wer an oder in Bahnhöfen, Kneipen, Rathäusern und Bushaltestellen raucht, solle ein Bußgeld entrichten. Da erkenne ich einen mir von Jahr zu Jahr unsympathischer werdenden Omnipotenz­wahn der Linken, die nach staatlicher Macht strebt, um auch in das private Leben von Menschen einzugreifen.

Ob ich irgendwann wieder mit dem Rauchen anfange oder nicht, möchte ich entscheiden.