Beckstein zieht als erster

Diskussion um »Killerspiele« von philipp steglich

Günther Beckstein ist, wie man in Bayern sagt, ein scharfer Hund. Der Innenminister von der CSU ist der unbestrittene Meister aus München, was Repression im Allgemeinen und die Abschiebung von Flüchtlingen im Besonderen angeht. Die bayerische Jugend drangsaliert er seit Jahren, indem er Bagatelldelikte – etwa den Besitz oder den Konsum von geringen Mengen so genannter weicher Drogen – unnachgiebig verfolgt.

Nach dem Amoklauf des 18jährigen Schülers Sebastian B. im nordrhein-westfälischen Emsdetten forderte er nicht nur ein Verbot von »Killerspielen«, sondern kündigte als erster Politiker auch einen Gesetzentwurf dazu an. Zwar ist im Koalitionsvertrag der Großen Ko­alition ein solches Gesetz erwähnt, und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat sich entschieden dafür ausgesprochen. Aber mit seinen konkreten Vorschlägen ist Beckstein ganz vorn. Die Herstellung und die Verbreitung Gewalt verherrlichender Computerspiele sollen danach in Zukunft »mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe« belegt werden.

Für jemanden wie ihn ist alles klar: Die brutalen Games ziehen die Verrohung der Jugend nach sich, weil sie darauf trainiert werde, ihre virtuellen Gegner grausam und blutig zu eli­mi­nieren. Da häufiges Spielen unweigerlich zum Realitätsverlust führe, könnten viele nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Spiel un­terscheiden. Früher führte Onanie zu Rü­cken­marks­schwund, heute Computerspiele zu Gewalt.

In der Diskussion um ein Verbot der »Killerspiele« ist vor allem unklar, was als »Gewalt verherrlichend« zu gelten hat. Gehört ein Spiel wie »S.W.A.T.« dazu, bei dem der Spieler als Mitglied einer polizeilichen Eliteeinheit Terroristen ausschaltet? Oder ist es etwas ganz anderes, mit dem »finalen Rettungsschuss«, der Bestandteil mehrerer Landespolizeigesetze ist, virtuell das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen?

Die wissenschaftliche Forschung, welche die seit Jahren anhaltende Diskussion begleitet, ist jedenfalls gespalten. Bisher konnte in Studien kaum belegt werden, dass »Killerspiele« die Aggression der Spieler fördern. Auch steht die­ser Annahme jene entgegen, nach der Frust und Aggression beim Spielen abgebaut werden.

Vergessen wird dabei der größte Feldversuch schlechthin: Längst spielen Millionen von Jugendlichen in Deutschland täglich solche Games, während sich die Zahl der Amokläufer weit unterhalb des Promillebereichs bewegt. Und lustigerweise blenden gerade die Spieler, die häufig im Internet spielen, gruselige Details, wie Blutspuren, aus, damit der Spielablauf sich beschleunigt und sie effektiver schießen können.

Derlei ist Beckstein und Konsorten egal. Ihnen geht es um den Ausbau ihrer Repressions­apparate. Sie liebäugeln über ein Verbot der Spiele hinaus mit Polizeistreifen an den Schulen, der Einführung von Videoüberwachung und gegebenenfalls Metalldetektoren. Der verbleibende Raum soll der sozialen Kontrolle von Lehrern, Eltern, Mitschülern und sogar Mitspielern unterstellt werden. Wer bei der Schuldisco am lautesten zu »Hurra, hurra, die Schule brennt« mitsingt, ist schon ein potenzieller Täter. Und natürlich ist das Ziel auch eine stärkere Überwachung des Internets, jenes bedrohlichen Raumes, den sich Amokläufer mit Terroristen und den Konsumenten von Kinderpornos teilen.

Übrigens: Ein Verbot von »Killerspielen« wird am lautesten von Politikern der Union gefordert, in deren Ländern das Schulsystem am stärksten auf so genannte Elitenbildung, Leistungsdruck, Pauken bis zum Umfallen und soziale Selektion ausgerichtet ist.