Angriff der Ultras

In Bulgarien hat sich innerhalb kürzester Zeit die extrem nationalistische Partei Ataka etabliert. Ihr Vorsitzender schaffte es bis in die Stichwahl um das Präsidentenamt, bei der er am Sonntag unterlag. von jutta sommerbauer, sofia

Volen – der Wille der Bulgaren« stand auf den Wahlplakaten, die den Mann mit dem auffälligen weißen Haar in martialischer Pose zeigten. In der linken Hand hielt er ein Mikrophon, die rechte Hand reckte er, zur Faust geballt, stramm in die Höhe. Volen Siderov, Vorsitzender der ultranationalistischen Partei Ataka, liebt die theatralische Inszenierung und provokante Anspielungen auf historische Vorbilder.

Seine Pläne, als Staatspräsident ein Verbot der Partei der türkischen Minderheit oder eine Revision der Privatisierungsgeschäfte durchzubringen, wird er vorerst nicht in die Tat umsetzen können. Denn für das Amt des Staatsoberhauptes hat es bei der Stichwahl am Sonntag dann doch nicht gereicht. Siderovs Kontrahent Georgi Parvanov, der bisherige Präsident aus den Reihen der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), erhielt im zweiten Wahldurchgang rund 78 Prozent der Stimmen. Siderov kam immerhin auf etwa 22 Prozent.

Auch diesmal war die Wahlbeteiligung gering, sie lag bei 41 Prozent. Im ersten Wahlgang hatte Parvanov 64 Prozent und Siderov über 21 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Wegen der niedrigen Wahlbeteiligung von 42,5 Prozent war eine Stichwahl notwendig geworden.

Die lange Jahre währende Zweiteilung des politischen Systems in Bulgarien – auf der einen Seite die postkommunistische BSP, auf der anderen Seite das bürgerliche antikommunistische Lager – gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Die rechtskonservativen Parteien haben sich in politisch belanglose Kleingrüppchen gespalten. So befindet sich etwa die Partei des aus dem spanischen Exil zurückgekehrten ehemaligen Zaren Simeon Sakskoburggotski, die noch bei den Parlamentswahlen im 2001 einen überragenden Sieg einfahren konnte, am Rande der Existenz. Auch sie konnte in den vergangenen Jahren die Stimmen der Wechselwähler und derjenigen, die mit dem politischen Establishment unzufrieden sind, nicht bündeln.

Die neuen politischen Konfliktlinien verlaufen entlang der Frage »Nationalismus oder Westintegration«. Atakas Wahlkampfslogans machen deutlich, auf welcher Seite die Partei sich positioniert. »Holen wir uns Bulgarien zurück!« und »Ausverkäufer raus!« waren die Parolen, mit denen die Partei, die erst im April des vergangenen Jahres gegründet worden war, Sympathien gewinnen konnte. Wie andere osteuropäische Länder hat nun auch Bulgarien seine eigene populistische und ultranationalistische Partei – rechtzeitig vor dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union am 1. Januar.

Ataka schaffte bei der letzten Parlamentswahl im Juni 2005 auf Anhieb mit acht Prozent den Einzug in die Nationalversammlung. Medien und Politiker schenkten der Gruppierung während des damaligen Wahlkampfes kaum Beachtung, doch Ataka gewann mit einer nationalistischen, minderheitenfeindlichen und antisemitischen Kampagne in kurzer Zeit eine beachtliche Anzahl an Anhängern und hat mittlerweile lokale Strukturen im ganzen Land aufgebaut. Eine eigene Tageszeitung namens Ataka, ebenfalls landesweit erhältlich, dient der Partei als Propagandaorgan.

Atakas Programm besteht aus Forderungen nach einer protektionistischen Wirtschaftspolitik, populistischen sozialpolitischen Maßnahmen und Drohungen gegen Minderheiten und Oppositionelle. Zum militanten »Bulgarentum« der Gruppierung gehört auch der Ruf, den Einfluss der orthodoxen Kirche in der Gesellschaft zu vergrößern. Ataka tritt zudem für den Austritt Bulgariens aus der Nato ein.

Die Unzufriedenheit mit den sozialen Verwerfungen der Transformationszeit, der Transfer von Staatseigentum in die privaten Taschen von Parteifunktionären aller Couleur, Klientelismus bei Privatisierungsgeschäften und Auftragsvergabe, all das bringt Siderov, der sich als Rächer des kleinen Mannes gebärdet, Zuspruch ein. Seine dezidierte EU-Feindlichkeit ist da nur die logische Fortsetzung: In der EU drohe Kompetenzverlust und Fremdbestimmung durch ausländische Mächte. »Die bulgarische Produktion, Handel und Banken müssen in bulgarischen Händen sein«, so die Hauptforderung des nationalistischen 20-Punkte-Programms.

Von den meisten bulgarischen Publizisten wird die Partei als antieuropäische Protestpartei wahrgenommen, die von der Wende enttäuschte Wähler anziehe. Nationalismus und Rassismus seien typische Phänomene der Transformationszeit und daher »Übergangsphänomene«. Für manche Kommentatoren sind die Ultranationalisten sogar ein Grund zur Beruhigung. Schließlich gäbe es ähnliche Parteien auch in den westeuropäischen Staaten, und Bulgarien sei somit auf dem Weg der »Normalisierung«, lautet die krude Logik in einigen Medien.

Doch Ataka bringt mehr als Populismus und Protest zum Ausdruck. Ihren Erfolg verdankt die Partei der allgemeinen Akzeptanz rassistischer Ressentiments und nationalistischer Rhetorik. Die Ultranationalisten setzten dies erstmals in Bulgarien vehement auf die politische Tagesordnung.

So ist etwa der Antiziganismus in der Gesellschaft weit verbreitet. Einer Umfrage des Bulgarischen Helsinki-Komitees zufolge wollen 63 Prozent der Bulgaren keine Roma als Nachbarn, 67 Prozent können sich nicht vorstellen, einen Rom als Freund zu haben. »In Bulgarien ist die Meinung allgemein akzeptiert, dass Roma Menschen zweiter Klasse sind«, sagt der Anwalt Jonko Grozev, der sich vor allem mit Menschenrechtsfragen beschäftigt. Zudem werden die Roma für alle möglichen Probleme der Transformationszeit verantwortlich gemacht.

Ataka zeichnet die Roma vor allem als kriminelle Subjekte: »Zigeunerbanden« würden durch die Viertel ziehen, um zu stehlen und Bulgaren zu »malträtieren«. »Für alle Parasiten kann man einen geeigneten Platz und Arbeit finden«, sagte Siderov auf einer Kundgebung im vergangenen Jahr und erhielt dafür großen Beifall.

Der antitürkische Nationalismus wiederum ist vor allem historisch aufgeladen, doch nach wie vor betrachten viele Bulgaren die türkische Minderheit als »fünfte Kolonne« der Türkei. Ataka behauptet, dass die türkischsprachige Bevölkerung – etwa zehn Prozent der im Land lebenden Menschen – kurz davor stehe, mittels ihrer parlamentarischen Vertretung, der »Bewegung für Rechte und Freiheiten« (DPS), das Land zu beherrschen. Die Bulgaren seien im eigenen Land diskriminiert und würden – wie einst im Osmanischen Reich – zu Untertanen von Fremdherrschern gemacht. Mit dieser Argumentation wird gezielt auf die weit verbreitete Ansicht zurückgegriffen, dass die osmanische Periode eine Zeit der »Versklavung« und »Unterjochung« gewesen sei, die heute von den »Nachfahren« der Osmanen mit anderen, beispielsweise ökonomischen Mitteln fortgesetzt werde.

Eines seiner Ziele hat Volen Siderov jedenfalls schon erreicht: Mehr denn je werden in Bulgarien politische und ökonomische Probleme ethnisch gedeutet. Auch die anderen Parteien versuchen sich an einer Mischung aus moderatem Nationalismus und EU-Optimismus. Präsident Parvanov biedert sich schon mal an: »Nationalstolz« solle man zeigen, aber keine weitere »Ethnisierung der Politik« betreiben.

Interessant ist, dass Parvanov in den gemischt-ethnischen Regionen die meisten Stimmen erhielt, die DPS hatte ihm ihre Unterstützung zugesichert. Solange die türkische Minderheit den richtigen Kandidaten wählt, ist die Welt in Ordnung. Das Problem Ataka scheint damit aber noch lange nicht gelöst.