Büffelt den Widerstand!

Proteste gegen Studiengebühren von steffen falk

Wenn jemand, der einen Polizeiübergriff am eigenen Leib erfahren hat, sich wegen übertriebener Härte beschwert, fragt sich der aufmerksame Zuhörer zu Recht, wie viel Härte denn genehm gewesen wäre. Viele Demons­tranten machen bei den Protesten gegen Studiengebühren zum ersten Mal einschlägige Erfahrungen mit der Staatsgewalt. Zuletzt wurden am Donnerstag voriger Woche nach einer Großdemonstration in Frankfurt am Main 220 Personen festgenommen, die u. a. eine Autobahn blockiert haben sollen. Die Betroffenen kritisieren häufig eine angebliche Maßlosigkeit, stellen aber nicht den Sinn und Zweck der Bereitschafts- und der Bundespolizei infrage. Eben noch mit den »Kommunikatoren« Fußball gespielt und nun Pfefferspray in den Augen, wie konnte das passieren?

Wer hier einen Widerspruch entdeckt, verkennt die Aufgabe der professionellen Hüter des bestehenden Gewaltmonopols. Natürlich verstoßen bisweilen einzelne Beamte oder Einsatzleiter gegen rechtsstaatliche Maßstäbe. Damit dienen sie aber dem höheren Zweck, nämlich dem Erhalt der Ordnung im Staat. Wenn Autobahnen besetzt oder Straßen blockiert werden, wird ohne Ansehen der Person zur Aufstandsbekämpfung übergegangen. Eine Kritik an den Entscheidungen der Politik darf, kann und soll demonstriert werden. Doch wer es zu hartnäckig tut, bekommt den Schlagstock und den Strahl des Wasserwerfers zu spüren.

Die Studierenden legen sich derzeit ganz offensichtlich und mit erstaunlicher Beharrlichkeit mit dem Staat an. Sie tun das mit einer kaum zu überbietenden, bedauernden Unschuldsgeste: Man sei geradezu zum Ungehorsam gezwungen, denn die Länderregierungen, die Studiengebühren einführen, seien es, welche gegen Recht und Gesetz verstießen, lautet die den Staat idealisierende Argumentation vieler von ihnen.

Der vielleicht wirklich aus Frankreich importierte radikale Gestus ist auch in den Flugblättern wieder zu finden: Da ist beständig vom »Bildungsklau« die Rede, obwohl Bildung noch nie Eigentum der Lernenden war. Eine merkwürdige Form von Diebstahl ist es auch, wenn die Politik eine zweckdienliche Umgestaltung der universitären Wissensvermittlung beschließt: Das bezahlte Studium soll ein schnelles, effektives und am Arbeitsmarkt orientiertes Lernen garantieren.

Nicht die Zahl der Studierenden soll auf diese Weise erhöht werden, sondern die Zahl der jährlichen Absolventen. Die wiederum sollen, so der staatliche Plan, deutschen Unternehmen in der internationalen Warenkonkurrenz zum Erfolg verhelfen. Dass es überhaupt Waren gibt, scheint keine Empörung wert zu sein, dass aber Bildung eine Ware ist oder zur Ware wird, will man nicht hinnehmen.

Darüber hinaus wird den Politikern vorgeworfen, sie vergingen sich an der »Ressource Bildung« und schadeten auf diese Weise dem »Standort Deutschland«. Von nicht ausgereifter Kritik an den allgemeinen Studiengebühren zeugt auch das Erstellen von alternativen Finanzmodellen. Dass durch das Eintreiben von Geld die Einnahmen steigen, sei unbestritten, das ist aber nicht das wesentliche Interesse der Bildungspolitiker. Es geht ihnen tatsächlich um eine Steigerung der Qualität der Ausbildung. Profitieren sollen von der neuen Güte diejenigen, die »leistungsorientiert« zeigen, dass sie zur Elite dieses Landes aufsteigen wollen.

Die Protestierenden täten gut daran, während der vorlesungs- und großdemonstrationsfreien Zeit einen kontroversen Streit um ihre Inhalte zu führen. Das könnte dem Widerstand eine neue Qualität geben.