Balla-Balla-Patrioten

Fahnenstreit in der Linkspartei von ivo bozic
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Bis 1989 war es in der BRD eher verpönt, öffentlich schwarzrotgoldenes Tuch zu zeigen. Nach dem Mauerfall kam es zu einem ersten nationalen Rausch, die BRD nannte sich fortan »Deutschland«, die Bevölkerung »Volk« und die Sozialdemokraten sprangen im Reichs-, nein Bundestag auf, um die Nationalhymne zu intonieren – was einen bekannten Publizisten damals bewog, sein Parteibuch abzugeben. Jetzt, 16 Jahre später, schockt das alles niemanden mehr. Die Band Mia und andere Deutschpopper hatten bereits den Soundcheck gemacht, und spätestens seit der WM ist Schwarzrotgold geil, cool und mega sexy, die Hymne ein Gassenhauer.

In der DDR hingegen flaggte man immer schon und massenhaft die nämlichen Farben, und das Bekenntnis zur Nation wurde als Bekenntnis zu »Frieden und Sozialismus« verkauft, also alles voll PC in Eastern Germany. Nur mit der Hymne hatte man ähnliche Probleme wie im Westen, aber es gab im Pionierliederbuch genügend Ersatzoptionen. Dass Linke im Osten mit der antinationalen Selbstvergewisserung im Westen nicht viel anfangen konnten, lag auf der Hand.

Gerade in der aus der SED hervorgegangenen PDS, aus der die Linkspartei hervorging, diskutiert man das Verhältnis der Linken zur Nation regelmäßig. Und wer in der Partei ein wenig Aufsehen erregen will, der braucht nur mal ordentlich gegen das Vaterland zu stänkern oder die Muttersprache mit Anglizismen zu schänden, schon ächzen die Deutschsozialisten wie ein morscher Baum. Jetzt hat es Julia Bonk, eine junge Landtagsabgeordnete aus Sachsen, gewagt: Wer drei Deutschlandfahnen bei ihr abgibt, bekommt ein schniekes T-Shirt mit dem Slogan »Nazis raus aus den Köpfen« aus dem Fundus der Parteijugend. »Nein zum Deutschland-Hype« nennt sich die putzige Antifahnen-Kampagne einiger junger Linksparteiler, mit der sie nicht nur der Bild-Zeitung die Schlagzeile »Balla-Balla-Bonk« entlockten, sondern auch dem Dresdner Fraktionsvorsitzenden der Partei, Peter Porsch, ein hysterisches Distanzierungsschreiben, das tatsächlich derart balla balla ist, dass man fast geneigt ist, sich Sorgen um den Mann zu machen.

Porsch, dem die »Liebe« zum »Vaterland« schon immer eine Herzensangelegenheit war, erklärte, offenbar reichlich entrüstet, »dass jeder Fußballverein eigene Fahnen hat, und die politische Losung, Fußballfahnen aus dem Verkehr ziehen zu wollen, von weltfremder Arroganz zeugt.« Weltfremd ist nur Porschs Erklärung, denn so eine Forderung hat selbstverständlich niemand aufgestellt; den Unterschied zwischen Deutschlandfahnen und Vereinswimpeln scheint er nicht zu kennen, vermutlich, weil sein Verein schon immer Deutschland heißt und er sich für das Festkomitee hält. Man könne, sagt er weiter, »nicht glaubwürdig gegen Fremdenfeindlichkeit auftreten und zugleich die Symbole der eigenen Kultur hassen«. Es klingt nach einem schweren Fall, wenn sich Porschs »eigene Kultur« durch drei Farben auf einem Lappen symbolisieren lässt. Der Porsch-Wahnsinn mündet letztlich in der komplett irren Aussage: »Gerade für die durch global agierendes Kapital benachteiligten kleinen Nationen ist die WM eine gute Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen.« Gegen die globalen Agenten hilft eben nur die nationale Sammlung. Guck mal, winkt da hinten nicht die NPD mit ihrem Fähnchen?!

Man kann die Aktion von Bonk & Co. als anachronistischen Unfug oder billige Provo abtun, doch spätestens an den Reaktionen zeigt sich, dass es noch viel unverantwortlicher wäre, den Balla-Balla-Patrioten nicht regelmäßig ans Bein zu pinkeln.