Zwei Patrioten für ein Halleluja

Sieben Monate nach den Wahlen gehen die Rechtskonservativen in Polen eine Koalition mit den rechtsextremen Parteien ein. von oliver hinz

Ein demagogischer Krimineller und ein berüchtigter Nationalist vertreten von nun an Polen im Brüsseler Ministerrat. Alle Partner der Europäischen Union schweigen jedoch zur neuen Regierung in Polen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin begründet dies im Gespräch mit der Jungle World so: »Wir kommentieren die innenpolitische Entwicklung in anderen Ländern nie.« Ohnehin bleibt die Frage, was eine heftige Reaktion der EU, wie etwa einst auf die Be­teiligung der FPÖ von Jörg Haider an der österreichischen Regierung, in diesem Fall bringen wür­de.

So kamen diesmal lediglich von der polnischen EU-Regionalkommissarin Danuta Hübner kritische Worte. »Polen ist ein so wichtiges Mitgliedsland, eine so große Gesellschaft in Europa, dass wir alle auf das blicken, was dort passiert, und jetzt sind wir alle ein wenig besorgt, was morgen und übermorgen sein wird«, bekannte die parteilose Politikerin in der vorigen Woche in Warschau. Für Polen ist es der Kommissarin zufolge jetzt wichtig, den Partnern in der EU zu sagen: »Fürchte dich nicht, Euro­pa, alles wird gut.«

Doch diese Botschaft verkündet die neue rechts­nationalistische Regierung in Polen nicht. Am Freitag der vorvergangenen Woche holten die anfangs allein regierenden Rechtskonservativen der Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) die Extremisten ins Kabinett, um sich gut sieben Monate nach den Wah­len endlich eine Mehrheit im Parlament zu sichern. Sowohl der Anführer der rechtspopulistischen Partei Samoo­brona, Andrzej Lepper, als auch der Vorsitzende der rechtsextremen Liga der Polnischen Familien (LPR), Roman Giertych, stiegen zu stellvertretenden Ministerpräsidenten auf. Beide erhiel­ten zudem mit dem Landwirtschafts- beziehungsweise dem Bildungsministerium ihre Wunschressorts.

Damit dankte der Vorsitzende der Pis, Jaroslaw Kaczynski, beiden Parteien für die bisherige Unterstützung der Minderheitsregierung. Bereits im November hatten die Partei Samoobrona und die LPR Kazimierz Marcinkiewicz von der Pis ins Amt des Ministerpräsidenten verholfen. Mit der Aufnahme der beiden rechten Parteien in die Regierung zögerte die Pis jedoch. Schließlich verachteten sich die Anführer der drei Parteien lange Zeit. Fast zwei Drittel der Bürger lehnen Umfragen zufolge die Beteiligung von Lepper und Giertych an der Re­gierung ab.

So brauchte die Pis einen Vorwand. Sie beantragte Neuwahlen im Wissen, dass sie dafür nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten würde. Denn die Abgeordneten wollten nicht ihren Sitz riskieren oder versprachen sich, wie die größte Oppositionspartei, die konservativ-liberale Bürgerplattform (PO), von späteren Wahlen mehr. Doch die Pis konnte anschließend die rechtsnationalistische Koalition besser als den »einzigen Weg aus der Krise« darstellen.

Gegen Lepper und Giertych in der Re­gierung protestierten vor allem Schü­ler und Studenten. Schon am Tag, als Staats­präsident Lech Kaczynski, der Zwillings­bruder des Vorsitzenden der Re­gie­rungs­­partei, Jaroslaw Kaczynski, die Ex­tre­mis­ten als Minister vereidigte, steck­ten sich Hunderte Warschauer Stroh in die Schuhe. Angeführt von einem früheren liberalen Oberbürgermeis­ter veräppelten sie Lepper als Provinz­bauern und sangen auf der Demonstration: »So ein Prolo«.

Vier Tage später zogen 2 000 junge Leute von der Warschauer Universität zum Parlament. Am vorvergangenen Wochen­ende gab es Demonstrationen in zehn Großstädten unter dem Motto: »Wir sind wütend«. Zu ihnen rief eine spontan gebildete Gruppe von Jugendlichen auf, die keiner Partei angehören.

Auch der parteilose Außenminister Stefan Meller legte aus Protest gegen Leppers Eintritt in die Regierung sein Amt nieder. Erst nach eineinhalb Wochen ernannte Präsident Kaczynski eine Nachfolgerin: die bisherige Vizeministerin Anna Fotyga von der Pis. Viel Erfahrung bringt die neue Außenministerin, die früher Europaabgeordnete und Englisch- und Rus­sisch­lehrerin war, nicht mit. Lech Kaczynski hält jedoch viel von ihr. Schon 1981 war sie seine Mitarbeiterin in der Gewerkschaft Solidarnosc. In Polen gilt sie deshalb als Unterstützerin des Präsidenten in der Regierung, der nun der wahre Außenminister sei.

Eine der Hauptaufgaben der neuen Ministerin wird es sein, im Ausland Vertrauen zu gewinnen. Zu schlecht ist der Ruf von Lepper und Gier­tych. Die gegen Diskriminierung kämpfende US-amerikanische Organisation Anti-Defamation League warf Lepper und Giertych »Sympathie für rassistische und antisemitische Sichtweisen« vor. Lepper arbeite mit einer antisemitischen Privathochschule in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zusammen, die ihm vor zwei Jahren die Ehrendoktorwürde verlieh. Lepper selbst erklärt hingegen, er dulde bei Samoobrona keinen Antisemitismus. Die von ihm autoritär geführte Organisation gehört zu den reichsten Parteien Polens. Häufig macht sie Stimmung gegen die USA. Ein Abgeordneter schimpfte kürzlich: »Die heutige amerikanische Besatzung in Polen ist schlimmer als die sowjetische.« Doch ein anderer Abgeordneter geht für die Rechte von Schwulen und Lesben auf die Straße.

Just zum Antritt Leppers im Landwirt­schafts­ministerium verurteilte ein Berufungsgericht ihn wegen übler Nachrede zu einer 15monatigen Bewährungsstrafe. Denn er hatte im Jahr 2001 im Parlament sozialdemokratische und rechtsliberale Politiker pauschal der Korrup­tion bezichtigt. Der Ministerpräsident Marcin­kiewicz nahm das Urteil gelassen und sprach nur von einer »unangenehmen Situation«.

Lepper dürfte es schwer fallen, die Bewährungsauflage des Gerichts, fünf Jahre lang niemanden zu verleumden, einzuhalten. Beim Ein­zug ins Kabinett ging er den parteilosen Außen­minister Stefan Meller hart an und provozierte so dessen Rücktritt. »Der Minister macht aus sich keinen ernsthaften Menschen, um nicht zu sagen einen Narren«, beschimpfte Lepper ihn.

Giertychs klerikalnationalistische LPR hat so viele junge Abgeordnete wie keine andere Partei. Ihr Minister für Meereswirtschaft und Fischerei, Rafal Wiechecki, ist gerade mal 27 Jahre alt. In Umfragen liegen die klerikalen Nationalisten bei nur noch fünf Prozent. Bei den Wahlen bekamen sie noch acht Prozent. Polen drohe in der EU die »deutsche Kolonisierung«, der »polnische Boden« würde ausverkauft, warnte die Partei noch im vorigen Jahr.