Einseitig vorwärts

Israels Abzugspläne von andré anchuelo

Einseitige Maßnahmen wie die Räumung entlegener israelischer Siedlungen in der Westbank oder die Ziehung von Grenzen durch Sperranlagen – die von Israels amtierendem Premierminister Ehud Olmert in Aussicht gestellten Vorhaben stoßen bei so unterschiedlichen Figuren wie Khaled Meshaal, Benjamin Netanjahu und Uri Avnery auf einhellige Ablehnung.

Meshaal, Chef des Politbüros der islamistischen Terrororganisation Hamas, sprach von einer »Kriegserklärung« an das palästinensische Volk. Olmert wiederhole »die Fehler seines Vorgängers Ariel Sharon«. Sein Handeln werde »nicht zur Ruhe in der Region führen«. Netanjahu, Spitzenkandidat der rechtsnationalistischen Likudpartei bei den Ende März anstehenden israe­lischen Parlamentswahlen, kündigte an, einer künftigen Olmert-Regierung nicht beizutreten, weil diese »einen einseitigen Rückzug vom größten Teil des Landes« plane. Avnery, der Kopf der linken Friedensgruppe »Gush Shalom«, wiederum kritisierte, Olmert wolle für sein Vorhaben eines »Groß-Israel« mehr als die »Hälfte der Westbank annektieren«. Im Ergebnis allerdings scheinen sich palästinensische Islamisten, israelische Ultranationalisten und friedensbewegte Linke erstaunlich einig zu sein: Olmerts Pläne sind inakzeptabel.

Die Mehrheit der israelischen Wähler sieht das offenbar anders. In den Umfragen führt Olmerts Kadima-Partei weiterhin mit großem Vorsprung. Das allerdings ist so überraschend nicht. Schließlich ist sie die einzige israelische Partei, die mit den von Ariel Sharon entwickelten Abkopplungsplänen ein klares Programm besitzt. Es hat mit dem Sicher­heitszaun schon jetzt für mehr Sicherheit vor palästinensischen Anschlägen gesorgt, und es entlastet die israelische Armee, weil nicht mehr so viele entlegene kleine Siedlungen beschützt werden müssen.

Der »linke« Einwand, man müsse Lösungen durch Verhandlungen mit den Palästinensern finden, weil so erreichte Abkommen fruchtbarer und verlässlicher seien, ist zwar abstrakt richtig, doch waren derlei Lösungen schon zu Lebzeiten Yassir Arafats nicht möglich. Nachdem Arafat bereits im Jahr 2000 zur Gewalt als Strategie zurückgekehrt ist, übernimmt nun mit der Hamas eine Gruppe die Regierungsgeschäfte, welche sich sogar offen zur Zerstörung Israels als politischem Ziel bekennt. Dass sie kein Verhandlungspartner sein kann, ist offensichtlich.

Der »rechte« Einwand, Olmert honoriere palästinensische Gewalt, indem er ohne Gegenleistung Land abtrete und damit die Schwäche Israels zeige, ist formal ebenfalls richtig. In die politische Praxis umgesetzt, würde dieser Stand­punkt jedoch ein Vetorecht für palästinensische Terroristen gegen jegliche Veränderung des Status quo bedeuten. Die bereits unternommenen Rückzüge aus dem Südlibanon und dem Gaza-Streifen haben zudem gezeigt, dass militärische Frontbegradigung und demographische Entflechtung möglich sind, ohne dass sich die Sicherheitslage verschlechtert.

Ob Olmert mit seiner Strategie allerdings, wie er behauptet, international anerkannte Landesgrenzen festlegen kann, ist unwahrscheinlich. Vorwärts (hebräisch: Kadima) geht es daher bis auf weiteres wohl nur mit seiner Partei.