Unort der Republik

Längst ist der Palast der Republik zum Symbol für den Sieg des Kapitalismus geworden. In den nächsten Tagen beginnt sein Abriss. von jörg sundermeier

Der Palast der Republik ist neuerdings mit Bauzäunen umgeben. »Ab heute komplett hinter Gittern«, kalauerte die Berliner Ausgabe der Bild-Zeitung am Freitag. Der Palast wird in wenigen Tagen ein- und spätestens bis Ende März abgerissen sein. Sowohl die entschiedenen Gegner des Abrisses als auch diejenigen, welche die Sache eher gelassen betrachten, haben gute Argumente ins Feld geführt, als sie auf die immensen Kosten des Abrisses und vor allen eines »Wiederaufbaus« des Stadtschlosses verwiesen und für eine Zwischennutzung plädierten. Dennoch ist an diesem Zeitplan wohl nicht mehr viel zu ändern.

Die Kosten waren allerdings auch nicht ausschlaggebend bei der Entscheidung gegen den Palast der Republik. Es ging und geht zunächst um die Beseitigung eines Bauwerkes, das symbolisch für einen Staat und eine Geschichte steht, die gleich mit beseitigt werden soll.

Dies allerdings interessiert das so genannte Palastbündnis, das sich in den letzten Monaten rührend um die Ruine kümmerte, überhaupt nicht. Das Bündnis, dessen Kampagne von so unterschiedlichen Leuten wie Günter Grass, Dario Fo, Nora Tschirner, Daniel Brühl, Rem Kolhaas, Roger Willemsen, Christoph Schlingensief oder Sandra Bullock unterstützt wird, möchte die Ruine, die der Palast ja längst schon ist, vielmehr für Kulturprojekte erhalten und kaschiert ihr eigennütziges Anliegen mit einigen Phrasen: »Hier organisiert sich die Zivilgesellschaft, die nicht bereit ist, bei der Gestaltung ihres Lebensraumes bevormundet zu werden«, heißt es auf der Website der Kampagne. An anderer Stelle klingt es gar, auch in grammatikalischer Hinsicht, wie in jenen goldenen Tagen zu Beginn der neunziger Jahre, als Hausbesetzer in Berlin-Mitte nur zu gern Besitzer sein wollten und als einziges Kapital ihr Alter und eine mögliche touristische Aufwertung des Kiezes vorzuweisen hatten: »Eine neue Generation erkämpft sich die kreative Nutzung des Palastes der Republik spielerisch und ohne ideologische Interessen – dieser freie Raum gehört der Entwicklung Berlins in die Zukunft.«

In den letzten Tagen hat sich der Ton verschärft: »hier versucht eine mächtige und korrupte lobby, die erinnerung an ein besiegtes system, ein einmaliges potential für einen kreativen mittelpunkt berlins und unser aller geld zu vernichten!« heißt es in einem Appell vom Donnerstag voriger Woche.

Angesichts der Schnuffellieblichkeit der Abrissgegner auf der einen und der offensichtlich vom Preußentum beseelten Kampagne für den Schlossbau auf der anderen Seite ist es leicht, die einen für etwas weniger übel als die anderen zu befinden. Doch es geht hier nicht um Sympathien, denn der eigentliche Gegenstand der Debatte, das Gebäude selbst, wurde schon längst aus dem Blick verloren.

Bereits vor der so genannten Asbestsanierung hatte man große Teile des Gebäudes geschlossen und verkommen lassen, die Cafés auf der Wasserseite etwa. Als man dann ungefähr so viel Asbest im Palast der Republik fand wie in einem normalen bayerischen Schulgebäude aus den sechziger Jahren, wurde er zu einem Unort.

Obschon dem Gebäude mit der Zwischennutzung durch diverse Kulturinitiativen eine gewisse Bedeutung für die Stadt zurückgegeben wurde, ist seine ursprüngliche Aufgabe dahin, die nämlich, als im besten Sinne öffentliches Gebäude zu dienen. Es ist ein großer Haufen aus Stahlschrott, Beton und Glas und hat keinen Sinn mehr. Sollte an seiner Stelle dereinst ein Schloss stehen, wäre das das stärkste Symbol für den Geschichtsbruch, den das Jahr 1989 nach Deutschland gebracht hat. Doch schon die Ruine in ihrem jetzigen Zustand kündet nur noch vom Sieg des Kapitalismus. Da kann man reintun und draufschreiben, was immer man will.