»Eine Laus im Pelz«

Ein Gespräch mit dem iranischen Exilpolitiker mehran barati

Mehran Barati flüchtete in den sechziger Jahren vor dem Schah-Regime nach Deutschland und ist seither in der iranischen Auslandsopposition aktiv, zunächst gegen den Schah, später gegen das islamistische Regime. Der Mediziner und promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler war Mitgründer der Organisation »United Republicans of Iran« und gehört deren Koordinationsrat an. Seinen eigenen Angaben zufolge unterhält er gute Kontakte zu deutschen Außenpolitikern aus allen Parteien. Im September 1992 entging er durch einen Zufall dem Mordanschlag auf das Treffen von iranischen Oppositionellen im Berliner Restaurant »Mykonos«. Seine Tochter Minu ist mit dem ehemaligen Außenminister Joschka Fischer verheiratet.

Bayern München hat in der vorigen Woche ein Testspiel gegen Persepolis Teheran bestritten. Manager Uli Hoeneß glaubt nicht, für politische Zwecke »missbraucht« worden sein. Ist das naiv?

Das kann ich nicht sagen. Aber ich denke, dass es falsch wäre, die Iraner den Mullahs zu überlassen. Man sollte die Bevölkerung nicht für die brutale Herrschaft bestrafen, der sie unterworfen sind.

Erhöhen solche Ereignisse nicht die Reputation des Regimes?

Der Nutzen solcher internationalen sportlichen und kulturellen Kontakte ist größer als der eventuelle Schaden. Ich glaube auch nicht, dass durch eine völlige Isolation das System schneller überwunden werden könnte.

Der Iran hat sein Programm zur Anreicherung von Uran wieder aufgenommen. Ist der »Dialog« mit dem Regime gescheitert?

Ja, der Dialog ist gescheitert. Allerdings muss man in der Atomfrage genau sein. Völkerrechtlich gibt es keine Handhabe dafür, dem Iran die Atomtechnologie vorzuenthalten. Die Welt misstraut aber den dort Herrschenden und geht davon aus, dass sie den Besitz von Atomwaffen anstreben könnten. Dafür gibt es vielleicht Indizien, aber keine Beweise. Dieses Misstrauen müsste man offen aussprechen und den Iranern sagen: »Es ist euer gutes Recht, die Atomenergie friedlich zu nutzen. Solange aber in eurem Land keine Transparenz und keine Demokratie herrschen, verweigern wir euch dieses Recht.« Weil dies nicht in dieser Form kommuniziert wird, glaubt die Mehrheit der iranischen Bevölkerung, dass man ihr Land unterentwickelt halten will.

Was bezwecken die iranischen Machthaber mit ihrem Atomprogramm?

Da ideologische Systeme immer dazu neigen, irrationale politische Entscheidungen zu treffen, könnte es durchaus sein, dass die Herrschenden im Iran Atomwaffen bauen wollen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Israel besitze Atomwaffen, weshalb der Iran ein Gleichgewicht der Abschreckung aufbauen müsse. Ich halte diese Argumentation für absurd. Wenn sich ein Land dieser Region Atomwaffen verschafft, werden die anderen nachziehen wollen. Dies könnte zu einer unkontrollierbaren Situation führen.

Könnte der Irrationalismus des Regimes auch zum Einsatz von Atomwaffen gegen Israel reichen?

Auch dem blutrünstigsten Regime dürfte klar sein, dass man innerhalb einer begrenzten Region keine Atomwaffen einsetzen kann, ohne selbst in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Mit Atomwaffen will man politische Ziele verfolgen. Nach allem, was bekannt ist, bräuchte der Iran, selbst wenn man ihn ließe, acht oder neun Jahre, um nukleare Waffen zu bauen. Die Welt hat genug Zeit, um dies zu verhindern.

Auf welche Weise?

Im Irak zeigt sich, dass militärische Mittel nicht helfen. Richtiger liegt die Europäische Union mit ihrem Mix aus verschiedenen Mitteln – eine Politik des Angebots, eine Politik der Gängelung, eine Politik der Drohung. Denkbar wäre es etwa, die großen Summen zu sperren, die Angehörige der Führungsschicht im Ausland deponiert haben. Man könnte die Bewegungsmöglichkeiten von Politikern und Diplomaten einschränken oder die technologische Zusammenarbeit aufkündigen, ohne die Belange der Bevölkerung zu berühren. Wenn es Beweise dafür gibt, dass der Iran an Waffentechnologie heranzukommen versucht, muss das offen gelegt werden.

Ist nicht zu bedenken, dass sowohl die »Hardliner« als auch die »Reformer« das Atomprogramm befürworten?

Und dennoch gibt es Stimmen im Iran, die meinen: »Unabhängig von dem potenziellen Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie müssen wir aus friedenspolitischen Gründen darauf verzichten.« Auch wenn diese Kräfte derzeit nicht das Sagen haben, muss man sie ernst nehmen und den Dialog mit ihnen suchen. Und man muss die iranische Opposition ernst nehmen. Leider ist es so, dass eine Opposition erst dann ernst genommen wird, wenn sie bewaffnet vorgeht.

Wie viele Exiloppositionelle haben Sie auf die »Reformer« gehofft. Diese wurden abgewählt, ohne dass sie grundsätzliche Reformen eingeleitet oder dies auch nur versucht hätten.

Wir haben die Kreise um Khatami als Reformer innerhalb des islamischen Systems betrachtet. Aus seinem Scheitern ist eine Gruppe hervorgegangen, die nicht länger glaubt, dass die islamische Herrschaft zur Demokratie führt. Diese Kräfte wollen einen Islam, der mit den Menschenrechten vereinbar ist. In letzter Zeit gab es gemeinsame Auftritte und Erklärungen von reformislamischen und laizistischen Stimmen – zum ersten Mal nach einem Vierteljahrhundert.

Grundsätzlich befürworten wir Lösungen, die die Gefahr eines endlosen Bürgerkriegs minimieren, wie er jetzt im Irak tobt. Deshalb wollen wir so viele islamische Reformkräfte wie möglich in ein künftiges System integrieren. Auch über die »Reformer« sollte man nicht voreilige historische Urteile fällen. So galt Ariel Sharon als Mann der Besatzung, hat dann aber, als er in der Verantwortung stand, auch andere Fähigkeiten gezeigt.

Welche Folgen nach innen haben die jüngsten Entwicklungen?

Unseren Informationen zufolge ist das wirtschaftliche Leben im Moment weitgehend paralysiert. Es werden keine größeren Geschäfte und Investitionen getätigt, es gibt eine große Kapitalflucht ins Ausland. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die Bevölkerung die wirtschaftlichen Folgen dieser Politik zu spüren bekommt. Dann wird auch der religiöse Führer Ali Khamenei merken, dass er sich mit Mahmoud Ahmadinejad eine Laus in den Pelz gesetzt hat.

Warum wurde Ahmadinejad gewählt?

Es waren vor allem die ärmeren gesellschaft­lichen Schichten, die ihn gewählt haben. Für sie haben die sozialen Probleme derzeit wohl Vorrang vor politischen Reformen. Ahmadinejad war der einzige Kandidat, der auf diese enormen Probleme eingegangen ist. Zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung: Wer ins Krankenhaus kommt und kein Geld auf den Tisch legen kann, wird abgewiesen. Deshalb muss man verstehen, dass die Bevölkerung Ahmadinejad gewählt hat, zumal keine Alternativen zur Wahl zugelassen waren. Aber ich bin davon überzeugt, dass er mit seiner messianischen Sicht des Islam nicht in der Lage sein wird, diese Probleme zu lösen. Er wird auf das Erscheinen des 12. Imams, des Messias, vertrösten. Das Erwachen wird kommen.

Wie können grundlegende Veränderungen herbeigeführt werden?

Eine soziale und politische Bewegung ist im Kern vorhanden. So protestieren derzeit die Busfahrer in Teheran. Ihre Aktionen werden von der Busfahrergewerkschaft organisiert, die im letzten Jahr als erste unabhängige Gewerkschaft entstanden ist. Ich glaube, dass angesichts des absehbaren Scheiterns von Ahmadinejad die Zeit für oppositionelle Bewegungen recht günstig ist. Dennoch wird es eine Revolution wie 1979 nicht geben. Es wird etwas anderes kommen. Dafür ist die Existenz einer Opposition notwendig, die auch im Ausland ernst genommen wird und sich der Bevölkerung als Alternative präsentiert. Aber jede Opposition, die unter solchen Bedingungen arbeitet, braucht Zeit.

interview: deniz yücel