Die Friedenslüge

Der Bundesnachrichtendienst im Irak von richard gebhardt

Mit Häme, Hysterie und Halbwissen reagieren weite Teile der Presse, des Publikums und der Politik auf die jüngsten »Enthüllungen« der Süddeutschen Zeitung und des NDR-Magazins »Panorama« über die angeblich kriegsunterstützende Tätigkeit von zwei (sic!) BND-Agenten im Irak. »Gibt es eine rot-grüne Kriegslüge?« titelt die taz, und Tobias Pflüger, EU-Abgeordneter der Linkspartei, gibt die Losung der antimilitaristischen Empörung vor: »Der angebliche Friedenskanzler ist in Wirklichkeit ein Kriegskanzler.«

Aus der Partei hörte man einmal anderes: In der heißen Phase des Wahlkampfs im August 2005 lobte Lothar Bisky den »Kriegskanzler« Gerhard Schröder als nobelpreiswürdigen Politiker. Das deutsche »Nein zum Krieg« galt von Bisky bis Gysi als bleibendes historisches Vermächtnis der rot-grünen Ära. Nun entdeckt die empörungswillige Öffentlichkeit plötzlich Löcher im Gemälde der friedliebenden deutschen Außenpolitik und verlangt Rechenschaft von den Verantwortlichen aus Regierung und BND. Erst die »CIA-Folterflüge« und die von US-Geheimdiensten verschleppten deutschen Staatsbürger, und dann das! Mehr und mehr wähnt sich das politische Personal in Berlin als Opfer US-amerikanischer Indiskretionen, die das moralisierende Auftreten deutscher Politiker unterlaufen sollen.

Was in der Aufregung um die als Skandal verkaufte Diskrepanz zwischen pazifistischer Rhetorik und politischer Realität zunächst aber »enthüllt« wird, ist die Naivität der rot-grünen Parteigänger und Friedensfreunde. Schröder konnte sein auch im Ausland höchst lebendiges Bild als Kriegsgegner trotz der maßgeblichen Unterstützung des »War on Terror« in Afghanistan verbreiten. Und der »investigative Journalismus«, der sich stets mit Verve auf die Manipulationen der US-Regierung stürzt, machte während der deutschen Propaganda im Kosovo-Krieg Betriebspause.

Niemand von denjenigen, die jetzt laut aufschreien, hat ernsthaft annehmen können, dass Schröders »deutscher Weg« die Missachtung jeglicher Bündnisverpflichtung zur Folge hat und die Bundesregierung den US-Streitkräften die Nutzung der Infrastruktur verweigert, geschweige denn sich selbst völlig aus dem politischen Geschäft zurückzieht. Wer wollte, konnte längst auf die Widersprüche und Zumutungen der deutschen Außenpolitik hinweisen. Deshalb verwundert der Anlass, an dem sich die jüngste Debatte entzündet. Denn was ist eigentlich Unerwartetes passiert, dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier energisch verkündet, er würde allen Versuchen, »Geschichte umzuschreiben«, entgegentreten?

Den Berichten nach haben lediglich zwei BND-Mitarbeiter den im Übrigen kaum hinterfragten Recherchen zufolge mit dem US-Geheimdienst kooperiert und relevante Informationen weitergegeben. Dass dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht, liegt in der Natur der Sache, sofern der Bundesnachrichtendienst seine Aktivitäten künftig nicht auf seiner Internetseite kundtun will. Auch Heribert Prantl, Leitartikler der Süddeutschen Zeitung, nennt die Forderung nach dem Abbruch der Kontakte zwischen Geheimdiensten während des Krie ges »töricht«. Warum aber klagt jemand, der diese Kooperation als selbstverständlich erachtet, über die kaum überraschenden Konsequenzen? Warum wird die Tätigkeit deutscher Nachrichtendienstler derart überbewertet? Und warum macht die Öffentlichkeit um »Enthüllungen« aus fragwürdigen Quellen so viel Aufhebens? Wer tatsächlich »rot-grüne Kriegslügen« aufdecken wollte, hätte besseres Material zur Verfügung als die hochgejazzten Berichte über ein Spionagepärchen aus Pullach.