Das Verkehrteste und das Mindeste

Debatte um WM-Ausschluss von Ivo Bozic
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Am 11. Juni soll die Nationalmannschaft des Iran zu ihrem ersten Spiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland auflaufen. Nun wird emsig über ihren Ausschluss diskutiert, eine Forderung, die von den Grünen vorgebracht wurde. Und in der Tat: Wäre es nicht unerträglich, dass ausgerechnet im Land der Massenvernichtung der Juden eine Nation aufläuft, deren Präsident dreist den Holocaust leugnet und das Land der Überlebenden von der Landkarte tilgen will? Ja, das wäre es!

Sicher, die iranischen Sportler können nichts für die Äußerungen ihres Präsidenten. Aber umgekehrt hat der Iran immer wieder Sportveranstaltungen für politische Propaganda missbraucht. Etwa die olympischen Spiele 2004 in Athen, als sich ein iranischer Judoka weigerte, gegen seinen israelischen Kontrahenten anzutreten, weil er »mit den unterdrückten Menschen in Palästina sympathisiere«. Die iranische Regierung rief zudem alle iranischen Sportler dazu auf, Wettkämpfe gegen Israelis zu boykottieren. »Es ist unsere Politik, das zionistische Regime nicht anzuerkennen«, erklärte der iranische Regierungssprecher diesen Affront. Hätte sich Israel für die WM qualifiziert, hätte man ganz sicher von einem Boykott zumindest jeder direkten Begegnung durch den Iran ausgehen müssen. Beim Spiel des Fußballclubs Persepolis gegen den FC Bayern München am Freitag in Tehe­ran blendete der übertragende Fernsehsender am Bildrand den Spruch ein: »Die friedliche Nutzung der Atomenergie ist ein natürliches Recht aller Völker.«

Politische Diplomatie über das Vehikel Sport ist dem Iran also bestens vertraut. Doch genau deshalb wäre ein WM-Ausschluss auch nicht die große symbolische Machtdemons­tration, die sich manche davon erhoffen, sondern eine peinliche Pseudo-Sanktion. Dass von echten Sanktionen erst gar nicht Rede war, sondern wochenlang ausschließlich über die WM-Teilnahme diskutiert wurde, zeigt die abgrundtiefe Hilflosigkeit der so genannten Weltgemeinschaft. Und mehr als die: Sanktionen träfen schließlich nicht nur den Iran, sondern ebenso seine zahlreichen und umtriebigen Handelspartner in Europa. Ein Ausschluss von der WM ist hingegen billig zu haben.

Und es stellt sich die Frage nach der möglichen Wirkung einer solchen Maßnahme. Die Sowjetunion zog nicht aus Afghanistan ab, weil man sie bei Olympia nicht mitspielen lassen wollte, ebenso wenig verzichtete Südafrika auf seine Apartheidspolitik. Auch Jugoslawien bzw. später Serbien/Montenegro ließ sich nicht durch den Ausschluss von der Fußball-EM bzw. -WM beeindrucken.

Außerdem könnte gerade die Teilnahme an der weltlichen Fußball-WM für den religiös-fundamentalistischen Iran eine Lektion in Weltoffenheit sein. Zwar müssen sie ein Kopftuch und lange Hosen tragen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Halle spielen, dennoch gibt es auch Fußballerinnen im Iran, und das ist der gesellschaftlichen Emanzipation sicher eher zu- als abträglich. Anlässlich des WM-Qualifikationsspiels gegen Japan demonstrierten in Teheran am 25. März letzten Jahres Tausende gegen das Stadionverbot für Frauen. Demonstranten skandierten Sprüche gegen das Regime. Es kam zu Ausschreitungen. Beim Einsatz der Ordnungskräfte kamen fünf Menschen ums Leben.

Obwohl ein Ausschluss von der WM also die so ziemlich unangemessenste und sinnloseste Reaktion auf die Politik des Irans wäre, die man sich vorstellen kann, wäre er dennoch eine Reaktion, und das ist mehr als keine Reaktion. Es wäre wenig, vielleicht sogar das Verkehrteste, und gleichzeitig das Mindeste.