Schwul oder was?

Bei gleichgeschlechtlicher Liebe rümpft der HipHopper in der Regel die Nase. Qboy und JenRo wollen das ändern. von markus ströhlein

Ich kriege jeden Mann ins Bett. Das ist keine allzu schwere Aufgabe. Eminem dürfte da keine Ausnahme sein.« Bescheidenheit ist nicht unbedingt seine Sache. Qboy will hoch hinaus. Seit drei Jahren rappt der 25jährige unter diesem Namen. Seine erste EP »Even women like him« ist 2003 erschienen. Die Single »Oh Yeah« hat er 2005 veröffentlicht. Er ist die­ses Jahr in Großbritannien, Frankreich, Belgien, Norwegen, Kroatien und Estland aufgetreten und hat zwischendurch etliche Interviews für Magazine und Zeitungen aus aller Welt gegeben. Es sieht gut aus für ihn.

Das ist recht erstaunlich. Denn der Londoner musste sich sein eigenes Genre erst schaffen. Rapper gibt es viele. Auch Schwu­le mag es unter ihnen so manche geben. Doch HipHop-Künstler, die ihre Homosexualität auf der Bühne propagieren, gab es vor Qboy und Gay HipHop kaum.

Dabei war Gay HipHop zunächst lediglich eine Internetseite. Gestartet wurde sie vor etwa vier Jahren von Mistermaker, einem HipHop-DJ aus London, der frustriert davon war, keine schwulen Rapfans zu kennen oder kennen zu lernen. Qboy stieß auf die Seite und nahm Verbindung zu dem Betreiber der Webseite auf. Gemeinsam wandelten die beiden das Internetforum in ein Online-Magazin für schwu­le HipHop-Fans um, in dem man Interviews, Reviews und Links zu Rappern und Rapperinnen findet.

Durch die starke Nachfrage wurde Qboy dazu veranlasst, selbst Musik zu machen. Mit Mistermaker begann er im »Pac-Man«, einem Club in Brighton, Platten aufzulegen und hin und wieder das Mikrofon in die Hand zu nehmen. »Unsere Crew hat von Beginn an viel Aufmerksamkeit erhalten. Wir haben bereits Auf­tritts­an­ge­bo­te bekommen, obwohl wir nicht einmal eine richtige Band waren«, sagt Qboy. Schließlich entschloss er sich, als Solokünstler auf­zutreten.

Es ist Freitag, Business as usual für den DJ: »Heute lege ich im ›Pimp‹ auf. Der Club liegt im Stadtteil Soho in London.« Mittler­weile sei es häufiger der Fall, dass in schwu­len Läden HipHop gespielt werde, was in Qboys Augen auch mit der Gesamtentwick­lung im britischen Popgeschäft zu tun hat: »In den USA gehört HipHop schon lange zur Alltagskultur. In Großbritannien ist er erst in den vergangenen drei bis vier Jahren populär geworden. Rap hat sich seinen Weg auch in die schwule Community gebahnt. Die Lust auf Rap ist größer geworden. Aber die Szene ist immer noch klein.«

Um die Szene in der Szene geht es ihm jedoch nicht mit seiner Musik. Er möchte den HomoHop in den Mainstream bringen, um zu beweisen, dass man nicht heterosexuell sein muss, um guten und erfolgreichen HipHop zu machen. »Ich will endlich ein anderes Bild von Schwulen sehen. Tuntig sein, feminin sein, das sieht man in den Medien. Aber die Sexualität sollte dich nicht daran hindern, das zu tun, was du tun möchtest. Diese Einsicht im HipHop-Mainstream durchzusetzen, wäre wich­tig.«

Der Rap-Mainstream zeigt sich seinen Aussagen zufolge aufgeschlossener, als man vermuten würde. Vielfach erhält er Respektsbekundungen für seine Arbeit. »Die Leute sehen, dass der durch­schnittliche britische Rapper, der bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag ist und für den viele Leute arbeiten, nicht so weit kommt wie ich.«

Qboy ist sein eigener Manager, Agent und Promoter. Für das bevorstehende Jahr hat er große Pläne. Sein neues Album soll spätestens im Mai auf seinem eigenen Label »Ain’t Nuffink Butt F*ckin Music« erscheinen. Die Veröffentlichung der ersten Single »A Deal With God« ist für März angesetzt. Der Song ist Teil einer Kampagne gegen das »Bullying«, also gegen das Schikanieren von Schwulen am Arbeitsplatz oder in der Schule. Der Rapper kennt diese Erfahrung: »Ich wurde in der Schule immer fertig gemacht. Deshalb wollte ich unbedingt einen Song zu der Kampagne beisteuern. Ich bekomme immer heftige Reaktionen, wenn ich den Song live spiele. Die Leute scheinen ihn wirklich zu mögen. Ich visiere den ersten Platz in den Charts an.«

Vom Außenseiter in der Schule zum Spitzenreiter in den Charts – JenRo dürf­te ähnliche Träume haben. Die Rap­perin aus San Francisco ist wie Qboy bei Gay HipHop dabei. Doch anders als beim entspannten und melodischen Rap des Londoners geht es bei ihr härter zur Sache. Das zeigt schon ihr Äuße­res. Auf dem Kopf trägt sie ein Bandana, ein Tuch, wie es die Gangmitglieder in den Latinoghettos tragen, in denen JenRo aufgewachsen ist. Auf dem rechten Unterarm hat sie die Golden Gate Bridge tätowiert, das Wahrzeichen San Franciscos. Ihre Baggypants hängen tief. Auf dem Cover ihrer aktuellen Platte posiert sie auf dem Dach eines Rolls Royce.

Das Image der Gangstress trifft auf ihr lautes Bekenntnis, lesbisch zu sein. Den Song »Dykes in da house« hat sie ihren »queer folks« gewidmet. In anderen Stücken erzählt sie vom Gangsterleben im Ghetto. Dabei bedient sie sich eines Wort­schatzes, mit dem sie sich den »Parental-Advisory«-Sticker auf ihrer CD wirklich verdient hat. Sie rappt zwar gegen die Homophobie im HipHop, politisch korrekte Musik für die Mitte der Gesellschaft liefert sie jedoch nicht. Da tritt sie lieber vor Knastpublikum auf wie im vergange­nen Jahr, als sie bei einer Veranstaltung der Anti-Gang-Organisation United Playaz im Gefängnis San Quentin auf der Bühne stand.

Die Kombination »Queer« und »Gangs­ta« scheint für viele unvereinbar. JenRo sieht jedoch keinen Widerspruch darin. Lesbisch sei sie nun mal. Und mit HipHop sei sie aufgewachsen. An Gangsta-HipHop, sagt sie, möge sie den harten Sound und die Weigerung, sich von jemandem etwas sagen zu lassen. Dass sich genau diese Attitüde recht häufig gegen Homosexuelle richtet, könne sie nachsehen.

Anderen auf die Füße zu treten und jemanden zu dissen, das beherrscht sie selbst sehr gut. Und auch, wenn ihr im Eifer des Gefechts Worte wie »Bitch« oder »Ho« herausrutschen, trifft sie meist die richtigen. Ihr prominentestes Opfer ist Eminem, der so oft über Schwule und anale Penetration rappe, dass es nahe liege, dass er selbst schwul sei. »Eminem is gay himself«, heißt es dann in »Dykes in da house«.

Qboy sieht das ähnlich: »Eminem hat eine starke homoerotische Aura. Man sehe sich nur die Fotos von ihm an, auf denen er immer so einen lasziven Schmollmund macht. Da muss man sich doch fragen, ob er nicht drauf steht, Schwänze zu lutschen.«

HipHop wegen den Ausfällen Eminems und einiger anderer als sexistisches und homophobes Genre zu bezeichnen, hält Qboy jedoch für falsch. Vielmehr stürzten sich die Medien auf einige Pro­ta­go­nis­ten, die gerne von »Schwuchteln« reden, und schlachteten dies aus. »Dabei gibt es so viel Rap da draußen, der gut ist. HipHop an sich ist nicht homophob. Das ist Bullshit.«