Hirn im ­Kühlschrank

Die Linke und die Linkspartei von stefan wirner

Gute Stimmung bei der radikalen Linken! Die Gruppe Fels darf sich genauso freuen wie die JungdemokratInnen, die Wertkritischen Kommunisten Leipzig, die Redaktion der Zeitschrift AK (Analyse und Kritik) und die Redakteure der Arranca, denn ihr Wunsch geht endlich in Erfüllung: Die Linkspartei und die Wasg fusionieren! Auf ihrem jüngsten Parteitag in Dresden hat die Linkspartei die Vereinigung mit der Wasg bis zum Juni 2007 beschlossen.

Die genannten Gruppen und Redaktionen unterzeichneten im Sommer einen offenen Brief an die beiden Parteien, in dem sie den Zusammenschluss begrüßten. 344 Einzelpersonen und Initiativen unterstützten das Schreiben. »Wir hoffen, dass dieser Schritt dazu beiträgt, linke Positionen insgesamt zu stärken und damit auch die Rahmenbedingungen unserer Arbeit zu verbessern«, hieß es darin. Es war die Geburtsstunde der »institutionsfernen Linken« (Arranca).

Aber spätestens seit dem Dresdner Partei­tag müsste einigen, die stolz von sich behaupteten, »auf die eine oder andere Weise an nahezu allen linken Bewegungen, Mobilisierungen, Kampagnen und Protesten der vergangenen Jahre beteiligt« gewesen zu sein, ihre Unterschrift ziemlich peinlich sein. Denn die Führung der Linkspartei gibt immer deutlicher zu verstehen, dass das ganze Gerede von einer linken Opposition im Parlament, die Deutschland so nötig habe, keinen Cent wert ist.

Man wolle regieren, heißt die Botschaft ein Vierteljahr nach der Bundestagswahl. Zwar gebe es »momentan« keine andere Möglichkeit als die Opposition, sagte Lothar Bisky, der Vorsitzende der Linkspartei, der Leipziger Volkszeitung. Aber seine Partei sei »verpflichtet, realistische Vorschläge zu machen im Interesse der kleinen Leute«. Wenn es eine Chance gebe, diese zu verwirklichen, »sollten wir das machen«. Mit einer Regierungsbeteiligung könne es »blitzschnell« gehen.

Die »blitzschnelle« Beteiligung an einer Regierung führt aber für gewöhnlich ebenso »blitzschnell« zu einer Politik, wie sie die Linkspartei in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern fest entschlossen betreibt: zu einer »realistischen« Politik des »Sachzwangs«, also etwa zu höheren Preisen für das Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr, zur Aufhebung der Lernmittelfreiheit, zur Kürzung der Gelder für soziale Einrichtungen und zu Räumungsbeschlüssen für besetzte Häuser, wie etwa beim Berliner »Bethanien«. »Blitzschnell« werden für diese »Realpolitik« Parteitage auf Linie und Kritiker zum Schweigen gebracht. Wer anderes von Oskar Lafontaine, Lothar Bisky und Gregor Gysi erwartet, muss schon sein Hirn im Kühlschrank abgelegt haben.

Und die verbesserten »Rahmenbedingungen«? Seit Lafontaine im Sommer die Wasg übernommen hat, sind die zuletzt nur noch zaghaften Proteste gegen Hartz IV vollständig eingeschlafen. Die einen erhofften sich in ihrer Euphorie alles mögliche von der Bundestagswahl, die anderen verschlissen sich in der Arbeit für die Parteigründung. Die Anwesenheit im Bundestag schließlich wird zum Selbstzweck. Am Ende feiert man die Anhebung des Arbeitslosengeldes II in Ostdeutschland auf das Niveau im Westen, die die große Koalition beschloss, wie einen Sieg im revolutionären Kampf. 12 Euro – wählen lohnt sich!

Der Unmut in der Gesellschaft, der der Linkspartei immerhin 8,7 Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl einbrachte, wird nun von einer Parteiführung verwaltet, die auf nichts anderes aus ist, als im Jahr 2009 mit der SPD eine Regierung zu bilden. Aber nur, wenn diese wieder »sozialdemokratisch« werde, wie Gysi betont. Selten so gelacht.